Methodik der Erhebung

Methodik der Erhebung

 

6.516 Konvertiten aus 179 Gemeinden in ganz Deutschland sind in der Erhebung von Open Doors zum Thema „Schutz für Konvertiten vor Abschiebung in Länder mit Christenverfolgung“ erfasst. In diesem Methodik-Teil wird erläutert, wie die Erhebung durchgeführt und ausgewertet wurde. Außerdem finden Sie auf dieser Seite den für die Hauptstudie genutzten Fragebogen als PDF.

Zur Methodik und Repräsentativität der Erhebung

Der Studie liegen zwei zeitlich dicht aufeinander folgende Umfragen zugrunde.

1. Pilotstudie

Der Fragebogen wurde im Juli 2019 per E-Mail an etwa 400 Gemeinden verschickt; bis 1.8. gingen 80 Antworten per E-Mail oder handschriftlich ausgefüllt per Fax oder Post ein; bis 20.9.2019 kamen noch weitere sieben Antworten hinzu. Die Antworten stammten von 31 evangelischen Kirchengemeinden, die 599 Konvertiten betreuen, und 53 evangelischen Freikirchen, zu denen 2.394 Konvertiten gehören. Die Rücklaufquote lag bei etwa 20 %.

2. Hauptstudie – Erweiterter Fragebogen

Die Ergebnisse der ersten Umfrage machten deutlich, dass bei verschiedenen Punkten genauer gefragt werden muss. Unter Beratung durch die Internationale Informationsstelle für Religionsfreiheit Deutschland (IIRF-D) und weiteren Personen wurde der Fragebogen modifiziert. Ab dem 9.8.2019 wurde er zusammen mit dem Anschreiben per E-Mail an ca. 1.100 Gemeinden in allen Bundesländern Deutschlands verschickt. Es wurde um Antwort bis 10.9. gebeten. Bis zum 20.9. hatten 117 Gemeinden (mit 4.340 Konvertiten) geantwortet, darunter 55 evangelische Kirchengemeinden (2.059 Konvertiten) und 62 evangelische Freikirchen (2.281 Konvertiten). Die Rücklaufquote lag bei ca. 10 %. Die Sommerferien und das enge Zeitfenster haben die Rücklaufquote begrenzt. Zudem betreuen etliche Gemeinden zwar Geflüchtete, jedoch nicht Konvertiten, oder deren Konversion kam erst als Nachfluchtgrund hinzu, so dass diese bei der BAMF-Anhörung keine entscheidende Rolle spielt. Solche Gemeinden haben oft nicht geantwortet. Ebenso hat die Mehrzahl der Gemeinden, die an der Pilotstudie teilgenommen hatten, nicht mehr auf die Anfrage um Beteiligung an der Hauptstudie geantwortet.

Zudem haben die EKD und die Katholische Bischofskonferenz (DBK) sich gegen eine Beteilung an der Umfrage entschieden, wie sie schrieben, weil sie sich von der vorliegenden Erhebung keinen Informationsgewinn versprochen haben. Sie verwiesen jeweils auf ihre bisherigen Bemühungen zum Thema und die damit Beauftragten und auf ihre Gespräche mit dem BAMF auf Spitzenebene.

Rein fremdsprachige Gemeinden haben – trotz verstärkter Bemühungen – leider keine statistisch verwertbaren Angaben eingebracht oder nicht geantwortet; einige äußerten Sicherheitsbedenken (Gefährdung von Gemeindegliedern) oder es fehlten ihnen die statistischen Angaben. Zudem dienen etliche Gemeinden anderer Herkunft vor allem der christlichen Minderheit aus ihren Herkunftsländern, deren (christliche) Kultur sich oft deutlich von der von Konvertiten unterscheidet.

3. Gemeinsame Auswertung von beiden Datensätzen

Da sich ein Teil der Fragen in beiden Fragebögen überlappte, die Befragung kurz nacheinander geschah und nur 25 Gemeinden an beiden Umfragen teilgenommen haben, erschien es sinnvoll, auch beide Datensätze gemeinsam auszuwerten, unter Beschränkung auf die Items der Pilotstudie. (Bei den 25 Gemeinden, die an beiden Umfragen teilgenommen hatten, wurde den Antworten in der Pilotstudie der Vorrang gegeben).

In der Pilotstudie wurde (neben Fragen der Integration in die Gemeinde) lediglich gefragt, ob konvertierte Asylbewerber (a) Flüchtlingsschutz bekommen hatten, (b) das Verfahren noch läuft oder (c) kein Flüchtlingsschutz gewährt worden ist. Daraus ergab sich folgende Synchronisation der beiden Umfragen:
 

Schutz Konvertiten Tabelle

* Dabei wurde nicht gezählt, wenn eine Ablehnung durch das BAMF hingenommen wurde oder noch keine Klage vor einem VG eingereicht worden ist, so dass der Wert eine untere Schranke darstellt. (1) Einige Abgelehnte akzeptieren ihre Ablehnung oder reisen in ein Drittland weiter; (2) die Anerkennungsquote beim BAMF gibt zudem den Mittelwert über die Jahre 2016–19; seit 2017 ist die Anerkennungsquote jedoch deutlich kleiner geworden.

Die kombinierte Auswertung basiert somit auf 179 Gemeinden, die 6.516 schutzsuchende Konvertiten betreut haben. Die Rückläufe kommen aus allen 16 Bundesländern, wobei der Süden (BW, BY, HE) etwas stärker repräsentiert ist). 86 Rückmeldungen stammen von evangelischen Kirchen (2.675 Konvertiten) und 92 von evangelischen Freikirchen (3.821 Konvertiten). Das entspricht in etwa dem Verhältnis von evangelischen Gottesdienstbesuchern (900.000 in ev. Kirchen, 800.000 in ev. Freikirchen). Konvertiten kommen in der Regel aus beziehungsorientierten Kulturen und fühlen sich durch die intensiveren persönlichen Beziehungen zwischen Gemeindegliedern in Freikirchen mehr angesprochen.

Datenerfassung und Auswertung

Bei beiden Umfragen wurde ein Word-Formular verwendet, in das die Antworten einzutragen waren. Einige Fragebögen wurden handschriftlich ausgefüllt und anschließend per Post, Fax oder PDF eingereicht. Die Antworten wurden auf Stimmigkeit überprüft; ggf. wurden Rückfragen bei dem Auszufüllenden über die angegebenen Kontaktdaten (E-Mail oder Telefon) getätigt. Anschließend wurden die Angaben per Copy-and-paste semi-automatisch in eine Excel-Tabelle überführt (ein Datensatz pro teilnehmender Gemeinde, aufgegliedert nach den Nationalitäten der Konvertiten); Teilgruppen von Gemeinden wurden selektiert (nach Gemeindezugehörigkeit und geographischer Region) und die Mittelwerte, Standardabweichungen, statistische Fehler des Mittelwertes etc. wurden berechnet sowie die Ergebnisse miteinander verglichen. Bei einer typischen Größe einer Teilgruppe von 400 Konvertiten belief sich der statistische Fehler auf ± 2,4 % des Messwertes.

Zu welchem Grad ist die vorliegende Umfrage repräsentativ?

Alle Gemeinden sind heute per E-Mail zu erreichen, so dass die Umfragemethode kein Bias enthielt. Sie ließ zudem Zeit zur Reflexion und ermöglichte eine sorgfältige Recherche der Fakten. Die angegebene Telefonnummer sowie E-Mail-Adresse ermöglichte Rückfragen und Klärung von Begriffen, was von einigen Gemeinden auch genutzt wurde. Beide Umfragen waren jedoch selbst-selektiv, d. h. eine angeschriebene Gemeinde hat selbst entschieden, ob sie an der Umfrage teilnehmen wollte oder nicht. Die Antworten müssen deshalb auf ein mögliches Sample Bias (systematischer Fehler) hin überprüft werden.

Bei der Umfrage wurden jedoch ausschließlich Fakten (Zahl von Konvertiten, die regelmäßig am Gottesdienst teilnehmen, aus welchem Land sie kommen, wie viele getauft sind, wie viele vom BAMF anerkannt worden sind, wie oft Klage beim VR eingereicht worden ist etc.) abgefragt und keine Meinungen und Haltungen. Zudem erhielten wir Rückmeldungen aus allen Bundesländern und von allen wichtigen (evangelischen) Gemeindeverbänden in entsprechendem Proporz, und die Ergebnisse stimmen innerhalb von 10 % miteinander überein (außer bei pfingstlich-charismatischen Gemeinden aus Gründen, die bei den Ergebnissen jeweils diskutiert sind). Bei einem Umfang von rund 6.500 Konvertiten erfasst die Studie 15–30 % der Grundgesamtheit, so dass sie als quasi-repräsentativ und damit valide angesehen werden kann. Letztendlich geht es in dieser Umfrage jedoch um Erfahrungen einer großen Gruppe von Konvertiten und nicht primär um möglichst zuverlässige Aussagen über die Grundgesamtheit. Ihr Schicksal soll im Mittelpunkt stehen und kritische Aspekte im Asylverfahren identifiziert werden.

Der Umfang der Studie soll durch folgende Überlegungen abgeschätzt werden:

Die kombinierte Auswertung von Pilot- und erweiterter Umfrage umfasst 179 Gemeinden, die 6.516 Konvertiten betreuen, darunter sind 4.557 Iraner, von denen 2.222 Personen einen Schutzstatus in Deutschland erhalten haben. Iraner waren die bei weitem größte Gruppe von Konvertiten und auch die mit dem höchsten Anteil an Konvertiten unter ihren geflüchteten Landsleuten.

  1. Im Zeitraum 1/2016–8/2019 haben laut BAMF-Statistik 61.282 Iraner in Deutschland einen Asylantrag gestellt, und 44–53 % haben bei ihrem Asylgesuch ihre Religionszugehörigkeit als „christlich“ angegeben (die Zahl armenischer und assyrischer Christen im Iran ist sehr klein, so dass hier vor allem von Konvertiten auszugehen ist). Bei mutmaßlich 30.000 iranischen Christen hätte die Umfrage somit 4.557/30.000 = 15 % der Grundgesamtheit der neuen iranischen Konvertiten in Deutschland erfasst.
     
  2. Im Zeitraum 1/2016–8/2019 haben (laut BAMF) 25.700 Iraner einen Schutzstatus in Deutschland erhalten; die gemittelte Schutzquote lag bei 39,7 % (inkl. subsidiärer Schutz und Abschiebeverbot). Wenn die BAMF-Anerkennung unabhängig von Religionszugehörigkeit erfolgt sein sollte, so wäre von 12.850 iranischen Christen auszugehen.

    In der erweiterten Umfrage wurde von 1.341 positiven BAMF-Bescheiden iranischer Konvertiten berichtet; in der kombinierten Umfrage sind dies 2.010 Personen, was einer Größe der Stichprobe von 16 % entspricht.
     
  3. Nach der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Linken vom 19.2.2019 hatten im Zeitraum 2016–2018 26.202 Iraner beim VR geklagt; 9.996 Entscheidungen wurden getroffen, 2.436 erhielten einen Schutzstatus (inkl. Abschiebeverbot), 2.678 wurden abgelehnt, und es gab 4.884 sonstige Verfahrenseinstellungen. Wenn wir annehmen, dass die Hälfte davon Christen waren, und dies mit den Angaben in der vorliegenden Umfrage vergleichen, so gibt sich folgendes Bild: In der erweiterten Umfrage wurde von 1.119 VR-Klagen von iranischen Konvertiten berichtet (in der kombinierte Umfrage wären dies ca. 1.680 VR-Klagen, was 1.680/13.100 = 17 % der Grundgesamtheit entspricht).
     
  4. In der erweiterten Umfrage berichteten die teilnehmenden Gemeinden, dass 354 VR-Klagen stattgegeben wurde, 208 wurden abgewiesen und 549 VR-Klagen von Iranern sind noch anhängig. 354 positive Entscheide (resp. 530 in der kombinierten Umfrage) ergibt 22 % aller positiven Entscheide für Iraner, unabhängig von ihrem Asylgrund. Offensichtlich wurde der Klage von iranischen Konvertiten häufiger stattgegeben als bei anderen Iranern.

Bei anderen Herkunftsländern ist der Anteil an Konvertiten deutlich kleiner, so dass die BAMF-Statistik nicht so leicht mit der hier berichteten Zahl von Konvertiten korreliert werden kann. Der Prozentsatz ist jedoch stimmig.

Wir gehen somit davon aus, dass die Umfrage ca. 16 % der in den letzten 4 Jahren nach Deutschland gekommenen Konvertiten erfasst hat.


Fragebogen Hauptstudie

 

Zur Erhebung

 

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