Christenverfolgung

Wann spricht Open Doors von Christenverfolgung?

Weltweit sind mehr als 365 Millionen Christen in 78 Ländern wegen ihres Glaubens intensiver Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt. In den 50 Ländern des Weltverfolgungsindex gilt dies sogar in einem sehr hohen bis extremen Maß; davon betroffen sind 317 Millionen der dort lebenden 756 Millionen Christen. Doch wann beginnt Christenverfolgung?

Definition von „Christenverfolgung“

Open Doors folgt einem weiten Verständnis des Begriffs „Christenverfolgung“. Danach herrscht Verfolgung nicht nur, wenn der Staat Einzelne oder ganze Gruppen von Christen wegen ihres Glaubens einsperrt, verletzt, foltert oder tötet, wie es in vielen Ländern Realität ist. Verfolgung herrscht auch dann, wenn Christen aufgrund ihres Glaubens beispielsweise ihre Arbeit oder ihre Lebensgrundlage verlieren, wenn Kinder aufgrund ihres Glaubens oder des Glaubens ihrer Eltern keine oder nur eine schlechte Schulbildung bekommen oder Christen aufgrund ihres Glaubens aus ihren angestammten Wohngebieten vertrieben werden. Ebenso verhält es sich, wenn es Christen nicht erlaubt ist, Kirchen zu bauen oder sich auch nur privat zu versammeln, wenn die Registrierung einer christlichen Gemeinde oder Organisation nur unter schikanösen Bedingungen oder auch gar nicht möglich ist. Auch wenn es Andersgläubigen gesetzlich oder zumindest gesellschaftlich nicht erlaubt ist, zum Christentum zu konvertieren und sich zum christlichen Glauben zu bekennen – wenn Gläubige also mit Konsequenzen für Familie, Besitz, Leib und Leben rechnen müssen – spricht Open Doors von Christenverfolgung.

Verfolgungsbegriff des UNHCR und vom Rat der EU

Einige der genannten Beispiele könnte man zwar auch Diskriminierung nennen oder mit anderen Begriffen belegen, allerdings lassen sich die Begriffe Verfolgung und Diskriminierung häufig nicht trennscharf definieren. Dies geht auch aus dem Handbuch des UNHCR (UN-Flüchtlingshochkommissariat) hervor, welches feststellt, dass es keine allgemein gültige Definition des Begriffs „Verfolgung“ gibt (Abschnitt 51). Das Dokument leitet aus der Genfer Flüchtlingskonvention ab, „dass eine Bedrohung des Lebens oder der Freiheit eines Menschen wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, wegen seiner politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe stets eine Verfolgung darstellt. Aus denselben Gründen würden auch andere schwerwiegende Verstöße gegen die Menschenrechte eine Verfolgung darstellen“ (ebd.). Der von Open Doors verwendete Verfolgungsbegriff lehnt sich damit an die international gebräuchliche Definition des UNHCR an, da er auch andere Menschenrechtsverletzungen miteinbezieht.

Einigkeit besteht auch bei allen Definitionsschwierigkeiten darin, dass „Verfolgung“ nicht nur bei konkreter Gefahr für Leib und Leben gegeben ist. Definitionselemente sind etwa, dass Verfolgung 1) von Personen ausgehen muss; 2) diskriminierend ist; 3) einen gewissen Grad an Schwere aufweist und 4) einen gewissen Grad von Dauer aufweist. Die EU-Richtlinie 2011/95/EU beschreibt Verfolgung unter anderem als die „Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden“ und „unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung“ (Kapitel III, Art. 9).

Welcher Begriff verwendet wird, sieht Open Doors letztendlich aber als zweitrangig an, da es der Organisation in erster Linie um die Christen als Personen, als „Gesichter der Verfolgung“ geht, die um ihres Glaubens willen verfolgt werden.

Verletzung der Menschenrechte

Die von Open Doors bekannt gemachten Fälle dokumentieren, dass die Religionsfreiheit eines der sensibelsten und am häufigsten verletzten Rechte weltweit ist. Dabei gehört sie zu den zentralen und historisch ältesten Menschenrechten. Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die 1948 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurde, bestimmt:

„Jeder Mensch hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht schließt die Freiheit ein, die Religion oder Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, die eigene Religion oder Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen.“

Die Verfolger

In den vergangenen Jahren hat Open Doors zunehmend beobachtet, dass sich die Verfolgung von Christen von staatlicher Seite immer mehr auf die private Ebene der Familie, der Nachbarn und Dorfgemeinschaften verlagert hat. Auch dieses Phänomen ist als Verfolgung zu verstehen, da es für die Opfer keinen Unterschied macht, wer sie verfolgt. Dazu kommt, dass in diesen Fällen ein christenfeindlich eingestellter Staat regelmäßig nicht interveniert – weder mit polizeilichem oder militärischem Eingreifen noch mit einer späteren Untersuchung der Verantwortlichkeit, was aber seiner völkerrechtlichen Verantwortung entspricht.

Größte verfolgte Glaubensgruppe

Christen bilden nach Erkenntnissen von Open Doors die in absoluten Zahlen mit Abstand größte aus Glaubensgründen verfolgte Gruppe. Weltweit sind mehr als 365 Millionen Christen in 78 Ländern wegen ihres Glaubens intensiver Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt. In den 50 Ländern des Weltverfolgungsindex gilt dies sogar in einem sehr hohen bis extremen Maß; davon betroffen sind 317 Millionen der dort lebenden 756 Millionen Christen. Für diese Schätzung hat Open Doors eigene Erkenntnisse aus seiner Arbeit sowie externe Quellen herangezogen.

Christen leiden in vielen Ländern nicht nur an einem Mangel an Religionsfreiheit, ihnen wird auch eine Vielzahl anderer grundlegender Menschenrechte vorenthalten. Besonders zu nennen sind das Recht auf den Schutz vor willkürlicher Verhaftung, das Recht auf ein faires Verfahren, das Recht auf Zugang zu Gerichten, Gleichheit vor dem Gericht, das Recht auf Familie, die Minderheitenschutzrechte, die Rechte von Frauen, die Rechte von Kindern, Probleme von Menschenrechtsverteidigern und nicht zuletzt das Folterverbot.

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