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Irak: 'Betet, dass die Christen im Land bleiben'

Zu Besuch bei Christen im Irak - Flüchtlinge im Kurdengebiet zwischen Gottvertrauen und Überlebenskampf

(KELKHEIM, 30. April 2010) - Trotz existenzieller Nöte blicken Christen im Irak auch hoffnungsvoll in die Zukunft. Das berichtet der Leiter von Open Doors Deutschland, Markus Rode, nach einer Reise zu Christen in den Norden des Landes. Ende April besuchte Rode christliche Gemeinden sowie Hilfsprojekte des Werkes in Erbil, Dohuk und der Niniveebene bei Mossul. Er sprach mit Christen, die vor Gewalt und Terror in die Kurdenregion geflohen sind. "Viele haben alles verloren und finden keine Arbeit. Es mangelt an medizinischer Versorgung in den abgelegenen Bergdörfern", so Rode. "Das ist auch der Grund, warum christliche Familien noch immer den Irak verlassen wollen. Sie haben keine Perspektive. Häufig wurde mir deshalb als Gebetsanliegen genannt, dass nicht noch mehr Christen das Land verlassen."

Zuversicht gespürt
Doch Markus Rode spürte auch Aufbruchsstimmung. "Tief bewegt haben mich Begegnungen mit Pastoren, die selbst früher Muslime waren und jetzt mit einem festen Gottvertrauen und einer klaren Vision vorangehen. Sie wollen als Christen ein Licht inmitten der Dunkelheit sein." In Gesprächen erfuhr Rode, dass Flüchtlingsfamilien gerade jetzt Unterstützung benötigen. Viele würden keine Arbeit finden. Nach einer ersten Phase der Nothilfe setzt das Hilfswerk für verfolgte Christen neben der Stärkung christlicher Gemeinden auf "Hilfe zur Selbsthilfe"-Projekte, medizinische Versorgung und Berufsausbildungsprogramme für irakische Christen, die in den Kurdengebieten des Nordirak Zuflucht gefunden haben.

Kurzinterview: Irak: ein alte Frau sitzt vor ihrem Haus

Markus Rode: Kurz nach dem Sturz des Saddam Regimes im Jahr 2003 reiste ich erstmals in den Irak. Die Christen, die ich vor sieben Jahren traf, fühlten sich befreit. Sie hofften, ihren Glauben nun freier leben zu können. Doch schon bald richteten sich Terroristen und radikale Islamisten gegen sie. Viele wurden entführt und ermordet. Auf ihre Kirchen, Geschäfte und Häuser wurden Sprengstoffanschläge verübt. Nach brutalen Verfolgungswellen und Hinrichtungen kam es zu panikartigen Flucht- und Auswanderungsbewegungen. Anfang der 1990er Jahre gab es noch 850.000 Christen im Irak; im Jahr 2003 noch 550.000 und heute leben nur noch schätzungsweise 385.000 Christen im Land. Wer nicht ins Ausland u.a. nach Syrien oder Jordanien geflohen ist, ging in die nördlichen Regionen, vor allem ins Kurdengebiet.

Welchen Herausforderungen stehen die Christen dort gegenüber?

Markus Rode: Zunächst ist diese Region relativ sicher. Viele Dörfer werden überwiegend von Christen bewohnt. Mit westlicher Unterstützung hat die kurdische Regierung für die Flüchtlinge Häuser gebaut. Es gibt neue Gemeinden, deren Mitglieder zumeist Araber aus Mossul, Bagdad und dem Süden des Landes sind. Hier müssen sie ihren Glauben an Jesus Christus nicht verstecken, auch wenn es vereinzelt Übergriffe von Islamisten gegeben hat. - Doch die wirtschaftliche Situation wurde mir als hoffnungslos beschrieben. Die Flüchtlinge kamen oder kommen zumeist völlig mittellos an. Sie finden kaum Arbeit. Das ist auf Dauer eines der größten Probleme. Sie fragen sich: Wie lange können wir das durchhalten? Einige Familien sind schon ausgewandert nach Syrien oder Jordanien. Andere planen den Irak zu verlassen, wenn sich ihre Situation nicht ändert. Deshalb müssen wir diesen Christen in ihrer existenziellen Not zur Seite stehen.

Welche langfristige Hilfe ist nötig? Irak: Kühe auf Feld

Markus Rode: Viele Flüchtlingsfamilien leben im Nordirak verstreut in kleinen Bergdörfern oder in Tälern und haben kein Einkommen. Es mangelt an medizinischer Versorgung. Nach der ersten Nothilfe hat Open Doors "Hilfe zur Selbsthilfe"-Projekte geschaffen, angelehnt an die örtlichen Bedingungen. Meist landwirtschaftliche Projekte. Man zeigte mir ein erstes Erdbeerfeld. Die Pflanzen waren sehr klein, aber sie wuchsen. Ein kleiner Erfolg. Erdbeeren gibt es kaum im Irak. Die Setzlinge haben wir aus Holland in den Irak importiert und den Bauern beigebracht, sie auf den Feldern einzusetzen. Jetzt werden weitere Felder angelegt. Darüber hinaus gibt es Apfelbaumplantagen. Mikro-Darlehen stellen wir auch in Form von Kühen und Ziegen bereit. Diese praktischen Projekte lassen die Menschen langsam unabhängig werden. Allerdings liegt noch ein weiter Weg vor uns. Derzeit bauen wir eine zweite Klinik in der Ninive Ebene auf. Viele Menschen brauchen Begleitung bei der Verarbeitung traumatischer Erlebnisse. Mit der Flucht aus der Gefahrenzone verschwinden nicht einfach die Alpträume, die schrecklichen Bilder von Terror und Tod. Mit Traumaseminaren helfen wir Betroffenen, darunter auch Kindern, auf dem Weg der Heilung.

Inwiefern gibt da der christliche Glaube Hoffnung?

Markus Rode: Ich habe in dieser existenziellen Not auch Mut machende Zeichen der Zuversicht gesehen. Ein Pastor einer evangelischen Gemeinde - früher Muslim, den man mehrfach versucht hat umbringen – sagte mir: Wir haben große Visionen für den Irak. Die Gemeinden wachsen. Wir erleben, dass Menschen, die genug haben von Selbstmordattentaten und Terror, Jesus Christus suchen und auch finden. Er ist Pastor einer Gemeinde, die zu 98 Prozent aus Christen muslimischer Herkunft besteht. Es gibt im Irak Menschen, die trotz Verfolgung, Hoffnung und Freude ausstrahlen. Weil ihnen ihr christlicher Glaube Mut gibt. Mehrfach haben mich engagierte Christen wie dieser Pastor gebeten, dafür zu beten, dass nicht noch mehr Christen das Land verlassen.

Befürchtet wird, dass es durch die anhaltende Auswanderung von Christen, bald keine christliche Gemeinde mehr im Irak geben wird. eine Kirche in einem Dorf im Nordirak

Markus Rode: Auch ich habe das befürchtet. Doch nach meinem Besuch möchte ich das revidieren. Es gibt einen Rückgang von Christen, aber ich glaube, es wird immer Christen im Irak geben. Ich habe Männer und Frauen getroffen, die eine Vision für ihr Land haben; die es aufbauen und das Evangelium weitergeben wollen. Es hat mir Mut gemacht, zu sehen, dass in einem Klima von scheinbar völliger Hoffnungslosigkeit Christen ausharren und zuversichtlich vorangehen.

Hilfsprojekte von Open Doors im Irak

  • Medizinische Versorgung (mobile Klinik mit kostenloser Behandlung und Medikamentenausgabe)
  • Bibeln, Kinderbibeln und andere Literatur
  • Umschulungs- bzw. Berufsbildungsprogramme
  • Traumaseminare
  • Glaubenskurse und theologische Seminare