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Weltverfolgungsindex: Entwicklungen in Afrika und Asien

Christen in Ägypten fürchten Machtgewinn der Islamisten

(Open Doors) - Rund 100 Millionen Menschen werden weltweit aufgrund ihres christlichen Glaubens verfolgt. Jährlich erstellt Open Doors eine Rangliste der Länder, in denen Benachteiligung und Verfolgung am stärksten ist. Für diesen Weltverfolgungsindex beleuchtet das überkonfessionelle Werk die Situation verfolgter Christen in 50 Ländern anhand von Befragungen vor Ort, Berichten von Übergriffen und Experteneinschätzungen. Neben gesellschaftlichen Aspekten beeinflussen insbesondere politische Entwicklungen die Situation der örtlichen christlichen Minderheit und das Maß ihrer Glaubensfreiheit. Lesen Sie nachfolgend Hintergründe und aktuelle Entwicklungen der vergangenen Monate in ausgewählten Ländern.

Inhalt

Ägypten: Angst vor Machtgewinn der Islamisten
Nord-Nigeria: Tote bei Ausschreitungen nach Wahlen
Syrien: Unsicherheit unter Christen
Bangladesch: Islam bleibt Staatsreligion
Indonesien: Behörden leisten Extremismus Vorschub
Elfenbeinküste: Keine systematische Christenverfolgung
Blickpunkt: Iran, Irak


Ägypten: Die Pyramiden von GizehÄgypten: Angst vor Machtgewinn der Islamisten
Weltverfolgungsindex Platz 19

Nach dem Sturz von Präsident Hosni Mubarak am 11. Februar dieses Jahres hat der Militärrat die Regierungsgeschäfte Ägyptens übernommen. Parlamentswahlen sind für den Herbst angesetzt. Ein neuer Präsident soll voraussichtlich Anfang 2012 gewählt werden. Ägyptens Nationaldemokratische Partei (NDP), die vor der Revolution die Regierung stellte, ist durch die Gerichte aufgelöst worden. Während Angehörige aller Bevölkerungsschichten des Volkes die Dimensionen der neu erkämpften Freiheit noch erforschen, formieren sich alte Bewegungen zu neuen Parteien, die das neue Ägypten nach ihren Grundsätzen gestalten wollen. Christen, die etwas über zwölf Prozent der Bevölkerung ausmachen, blicken mit Sorge auf einen möglichen Machtzuwachs für radikale Kräfte. Gruppen aus dem islamistischen Lager wie die "Muslimbrüder", die "Jamaa al-Islamiya" oder Salafisten der "Ansar al-Sunna Gesellschaft" versuchen nun, gesellschaftlich wie politisch Fuß zu fassen. Nach Jahrzehnten der Unterdrückung stehen diese Gruppen jetzt bereit, als politische Parteien bei den kommenden Wahlen anzutreten. Trotz jahrelanger Unterdrückung sind sie organisiert und können ohne Weiteres an Wahlen teilnehmen, Wahlkampf führen und Öffentlichkeitsarbeit machen.

Parteien zur Wahl

Im Jahr 2005 haben die "Muslimbrüder" 20 Prozent der Parlamentssitze für sich gewonnen. Bisher saßen sie als unabhängige Kandidaten im Parlament, da die Muslimbruderschaft ja verboten war. Im nächsten Wahlgang werden ihnen 30 Prozent zugetraut. Ihre neugegründete "Partei für Freiheit und Gerechtigkeit" (PFJ) zeigt sich im Grundtenor patriotisch. Sie will in Regierungskoalitionen zusammenarbeiten und hatte zwischenzeitlich sogar einen Kopten für den stellvertretenden Parteivorsitz vorgeschlagen. In ihrem Grundsatzprogramm skizziert die PFJ den künftigen Rechtsstaat als islamisch, wenngleich betont wird, die Rechte von Nicht-Muslimen achten zu wollen. Die Partei der Muslimbrüder wendet sich den ägyptischen Christen zu. Inwiefern diese allerdings als tatsächliche Partner in Politik und Gesellschaft angesehen werden, bleibt abzuwarten.

Die "Jamaa al-Islamiya", die in den 1980er Jahren als Terrorgruppe gegen den Staat kämpfte, verkündete im Juni die Gründung der Partei "Aufbau und Entwicklung". Ihre Satzung spricht von friedlichen Methoden, Gleichheit und der Anerkennung pluralistischer Grundsätze.

Auch ultra-konservative Salafisten, die für eine strenge Form und konsequente Anwendung islamischer Gesetze wie in der Frühzeit des Islam eintreten, wollen in die Politik einsteigen. Seit den 1980er Jahren sind sie besonders in armen, ländlichen Gegenden des Landes verbreitet und bei den Menschen beliebt wegen ihrer "reinen" islamischen Lehre und ihres sozialen Engagements. Salafisten sind nur lose organisiert. Die Bewegung, deren Mitglieder für ihre persönliche Frömmigkeit bekannt sind, zielt darauf ab, die Gesellschaft im islamischen Sinne zu verändern, sobald sie entsprechend an Dynamik und Anhängerschaft gewonnen hat. Nun scheint ihrer Ansicht nach die gelegene Zeit dafür zu sein. Doch ihr religiöser Eifer und die Ablehnung von Demokratie stoßen bei vielen Ägyptern auf Abneigung. Auch die salafistische "Ansar al-Sunna Gesellschaft" will in der Politik mitmischen. Sie will in Politik und Gesellschaft Stärke zeigen, um die Zukunft des Landes nach islamisch-fundamentalistischen Grundsätzen zu gestalten. Die "Nour Partei" wurde Mitte Juni als erste von fünf von Salafisten geplanten Parteien offiziell anerkannt. Wie viele Stimmen sie erringen kann, ist unklar.

Säkulare wie moderate Muslime, Liberale und Christen blicken mit großer Sorge auf die kommenden Wahlen. Wie hoch wird der Anteil fundamentalistischer Kräfte im Parlament sein? Wie stark werden sie die Entwicklung des Landes beeinflussen? Salafisten haben bereits öffentlich angekündigt, im Falle ihres Wahlsieges Läden und Cafés, die Alkohol verkaufen, zu schließen. In Moscheen werde die strenge Anwendung der Scharia gepredigt werden und Frauen müssten sich vollverschleiern.

Ägypten: Kirchenkreuz einer koptischen Kirche in KairoWeiter Angriffe auf Christen

Vor dem Hintergrund der jüngsten Angriffe auf koptische Kirchen muss befürchtet werden, dass bei einer solchen Entwicklung vor allem Christen akut gefährdet wären.

- Mitte März protestieren Muslime in Qena, angeführt von Salafisten, fast zwei Wochen lang gegen die Ernennung eines Christen zum Gouverneur. Dessen Ernennung wird daraufhin verschoben.

- Salafisten forderten öffentlich, dass Kirchengebäude aus Dörfern und Städten ausgelagert werden sollen. Um nötige Instandhaltungsmaßnahmen an Kirchen zu verhindern, wurden örtliche Christen eingeschüchtert oder Zugänge zu Kirchengebäuden blockiert. Betroffen waren u.a. Kirchen in der Ortschaft Kamadeer (Provinz Minya), die St. Maria Kirche im Bashtil Bezirk von Imbaba (Provinz Giza) sowie die St. Georges Kirche in Beni Ahmad (Minya Provinz).

- In Qena im Süden des Landes schnitten Salafisten einem Kopten ein Ohr ab, weil er angeblichen Prostituierten eine Wohnung vermietet haben soll. Ibrahim Fouad Botros wurde nach einem Streit mit einem muslimischen Nachbarn getötet. Der Kopte Matthias Talat Asham wurde getötet, weil man ihm eine Liebesbeziehung zu einem muslimischen Mädchen unterstellt hatte.

- Die Zahl koptischer Christinnen, die missbraucht und zur Ehe mit einem Muslim gezwungen wurden, ist Berichten zufolge seit Beginn des Umbruchs gestiegen. Zur Zwangsheirat und damit auch zur Konversion zum Islam gezwungen wurden beispielsweise Heba Iskandar, Maryam George Boqtor mit ihren Kindern sowie die Frauen Christine Azat und Nancy Magdi.

- Nahezu 9.000 koptische Christen aus zwei Dörfern in der Provinz Mina wurden seit Mitte Januar terrorisiert. 200 Anhänger einer radikalen Gruppe unter Führung von Ali Hussein ("Holaku") haben örtliche Christen bedroht, erpresst, entführt und getötet. Erst Ende April wurden die Sicherheitskräfte aktiv.

Positive Entwicklung

Doch gibt es auch eine positive Entwicklung: Die derzeitige Regierung bereitet ein einheitliches Gesetz hinsichtlich von Stätten vor, die zu gottesdienstlichen Versammlungen genutzt werden. Dieses würde derzeit geltende Verordnungen aufheben, die noch aus der Zeit des Osmanischen Reiches stammen und den Bau von Kirchen nahezu unmöglich machen.

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Nord-Nigeria: Tote bei Ausschreitung nach Wahlen
Weltverfolgungsindex Platz 23

Im westafrikanischen Nigeria bleibt die Lage nach der Präsidentschaftswahl und den darauffolgenden blutigen Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Christen angespannt. Die wichtigsten Kandidaten zur Wahl am 9. April waren Muhammad Buhari von der Partei "Kongress für Progressiven Wandel", ein Muslim aus dem Norden des Landes, sowie der amtierende Präsident Goodluck Jonathan von der regierenden "Demokratischen Volkspartei" (PDP), ein Christ aus dem Südosten des Landes. Nachdem eine unabhängige Wahlkommission am 18. April Goodluck Jonathan zum Sieger der Abstimmung erklärt hatte, wurde die nach Angaben internationaler Beobachter fairste Präsidentschaftswahl in der Geschichte des Landes zu einer der blutigsten.

Buharis Partei hatte im Norden Nigerias die meisten Stimmen geholt. Anhänger des unterlegenen Buharis sahen daher das Wahlergebnis als manipuliert an und zogen in den zwölf nördlichen Bundesstaaten sowohl gegen muslimische Stammesführer aus, die offenbar die Regierungspartei gewählt hatten, als auch gegen Christen und Angehörige südlicher Volksgruppen. Mehr als 800 Menschen starben, darunter 257 Christen. Viele wurden verletzt und nahezu 65.000 Menschen vertrieben. Open Doors registrierte 283 zerstörte Kirchen. Nach Medienberichten wurden über 400 Muslime in einer überwiegend von Christen bewohnten Region im Süden des Staates Kaduna mutmaßlich aus Vergeltung getötet.

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Syrien: Gottesdienst einer irakischen Gemeinde in einer Kirche in Damaskus.Syrien: Christen zwischen den Fronten
Weltverfolgungsindex Platz 38

Infolge der andauernden Protestbewegung gegen Machthaber Assad kommt es vereinzelt auch zu Feindseligkeiten gegen Christen und andere religiöse Minderheiten. Christen sind als Minderheit in der Regel Unterstützer der alawitischen Regierung. Für sie stellt sich die Frage, welche Auswirkungen diese Proteste und das anhaltend brutal Vorgehen der Assad-Regierung auf die christliche Minderheit haben werden. Die neun Prozent Christen unter den 22 Millionen Einwohner sind ein etablierter Teil der Gesellschaft. Auch viele christliche Flüchtlinge aus dem Irak leben in Syrien. Unter Präsident Assad fühlten sich Christen bislang sicher. Sie befürchten, dass sich ein Regierungswechsel zu ihrem Nachteil auswirken könnte. (Foto: Gottesdienst in Syrien/Open Doors)

Nur vereinzelt sind Christen bislang bei Protesten gezielt angegriffen worden. So wurde von anti-christlichen Parolen ("Alle Christen in den Libanon") auf Schildern bei Demonstrationszügen berichtet. Doch bislang sind derartige Vorfälle nur sporadisch zu beobachten. Von einer gezielten Verfolgung aufgrund ihres Glaubens kann derzeit nicht gesprochen werden. Im Fall einer Machtübernahme durch islamistische Kräfte befürchten Christen jedoch eine Verschlechterung ihrer Situation. Einige sind in Sorge, dass ihre Lage sich durch eine Ablösung der gegenwärtigen Regierung ähnlich dramatisch entwickeln könnte wie die der christlichen Minderheit im Irak. Dort haben sich die Lebensbedingungen für Christen nach dem Sturz von Diktator Saddam Hussein extrem verschlechtert.

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Bangladesch: Islam bleibt Staatsreligion
Weltverfolgungsindex Platz 47

Am 20. Juni hat das Parlament von Bangladesch in einem Entwurf für Verfassungsänderungen die Beibehaltung des Islams als Staatsreligion beschlossen. Diese Entscheidung wird von Kirchenleitern und Menschenrechtsaktivisten als eine Abkehr von der säkularen Ausrichtung der Verfassung aus dem Jahr 1972 angesehen. 1971 hatte das Land seine Unabhängigkeit von Pakistan erlangt. Kritiker argumentieren, dass diese Entscheidung gleichbedeutend sei mit der Missachtung eines Grundsatzurteils des Obersten Gerichtshofes vom Juli 2010. In dem Urteil war die Regierung aufgefordert worden, rechtswidrige Verfassungsänderungen durch die provisorische Regierung aus dem Jahr 2007 zu entfernen, um die Gewährleistung pluralistischer Grundsätze wiederherzustellen. Angehörige religiöser Minderheiten reagierten enttäuscht auf den jüngsten Parlamentsbeschluss. "Die Beibehaltung des Islams als Staatsreligion führt zu einer Herabstufung anderer Religionen. Ein Land braucht keine Staatsreligion. Eine säkulare Ausrichtung wäre der beste Weg", sagte Bischoff Bejoy D'Cruze aus Khulna von der bischöflichen Kommission für die christliche Einheit und den interreligiösen Dialog.

Aufbäumen radikaler Kräfte

Sheikh Hasina, Vorsitzender der "Awami League", die derzeit das Land politisch führt, verteidigte die Entscheidung als ein Zeichen dafür, "dass die Gesinnung der Mehrheit der Bürger des Landes nicht verfälscht werden kann". Beobachter sehen darin jedoch den Versuch, Vorwürfen radikaler Muslime zu begegnen, die Regierung sei anti-islamisch. Diese Gruppierungen hatten die Regierung der Awami League anfangs unterstützt. Würde die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes durchgesetzt, wären alle auf religiösen Prinzipien basierenden Parteien verboten, welche alle islamisch sind.

Am 10. Juli ging die Polizei gegen islamische Aktivisten vor, die einen Generalstreik umsetzen wollten. Mehrere Personen wurden verletzt. Die Demonstranten wollten gegen eine Verfassungsänderung protestieren. Diese hatte die Entfernung einer Formulierung aus der Präambel verfügt, die den absoluten Glauben und das absolute Vertrauen in Allah ausdrückt. Die Aktivisten wollten eine Wiedereinführung der Formulierung als Säule der Verfassung erreichen. Die Stimmung wird insbesondere von der wichtigsten Oppositionspartei angeheizt, der "Nationalen Partei von Bangladesch" (BNP). Wann immer sich eine Gelegenheit bietet, stachelt sie Menschen an, auf die Straße zu gehen, um die Macht der staatlichen Verwaltung zu erschüttern. Durch Kundgebungen, ob mit oder ohne politische Intention, zeigen radikal-islamische Kräfte ihre Unzufriedenheit mit der Regierung. Das beunruhigt die christliche Minderheit, die weniger als ein Prozent unter den 162,2 Millionen mehrheitlich muslimischen Einwohnern ausmacht. Ihre Lage ist von jeher prekär, und besonders nach der jüngsten Verfassungsänderung, die den Islam als Staatsreligion festschreibt, fragen sie sich: Was kommt als nächstes?

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ein betender Christ aus Indonesien/Open DoorsIndonesien: Behörden leisten Extremismus Vorschub
Weltverfolgungsindex Platz 48

Die Religionsfreiheit in dem zahlenmäßig größten muslimischen Land der Welt ist weiterhin gefährdet. Inländische Medien berichteten in den vergangenen Monaten über verstärkte Aktivitäten radikaler Islamisten. Ihre Wurzeln haben viele der extremistischen Gruppierungen in einer 60 Jahre alten Organisation, die als "Darul Islam" (DI, "Haus des Islam") bekannt ist, berichtete die Zeitung "Straits Times" am 29. April dieses Jahres. Ihren Anfang nahm die Bewegung im Jahr 1948 in Westjava unter Führung des charis-matischen Islamgelehrten und radikalen politischen Aktivisten Sekarmadji Maridjan Kartosoewirjo. Er kämpfte für die Umwandlung Indonesiens in einen islamischen Staat. Die DI-Bewegung blühte in den 1950er Jahren aufgrund der schwachen Regierung auf, wurde dann allerdings Mitte der 1960er Jahre nach mehreren Militäroffensiven zerschlagen. Doch einzelne Netzwerke überdauerten die Angriffe. Im Verlauf der Jahre hat sich eine radikale Bewegung entwickelt, welche das Erbe der DI angetreten hat. Sie war in zahlreiche Anschlagspläne verwickelt, etwa in die Bombenanschläge auf die australische Botschaft im Jahr 2004, die Anschläge von Bali (2005) und die Errichtung des Islamisten-Trainingslagers auf Aceh. (Foto: betender Christ/Open Doors)

Behörden leisten Islamisten Vorschub

2011 veröffentlichte die international renommierte Forschungseinrichtung "International Crisis Group" (ICG) zwei Berichte über steigende Aktivitäten des islamischen Fundamentalismus in Indonesien. Sie konstatiert, dass die Behörden bei der Bekämpfung von Extremismus auf allen Ebenen eine aktive Rolle spielen müssten. Doch in der Praxis, so Beobachtungen von Open Doors, verhalten sich die Behörden besonders auf lokaler Ebene eher passiv. Die oberste politische Ebene, bestehend aus der Zentralregierung mit ihrem Präsidenten, den Ministerien, dem Parlament, der Armee und den Geheimdiensten, steht zwar u.a. für Demokratie und soziale Gerechtigkeit. Doch gemäß einem Gesetz zur regionalen Autonomie aus dem Jahr 2000 werden viele Entscheidungen an regionale und lokale Behörden delegiert. Diese Regelung hat extremistischen Kräften in die Hände gespielt.

Besonders der Einfluss von radikalen Muslimen auf das Bildungs- und Erziehungssystem wird immer wieder kritisiert. Dennoch hat die Regierung bislang keinerlei Gegenmaßnahmen ergriffen. Die Entscheidung, den Provinz- und Ortsbehörden weitreichende Entscheidungsbefugnisse einzuräumen, hat zu großen Unterschieden zwischen den einzelnen Landesteilen geführt. So auch in der Frage, wie effektiv die Religionsfreiheit geschützt wird. Eine Untersuchung des Nachrichtendienstes "Compass Direct" im Februar 2009 über die Haltung lokaler Behörden hinsichtlich der Religionsfreiheit ergab: Obwohl derzeit nur in der Provinz Aceh das islamische Recht (der Scharia) umfassend gilt, haben bereits 57 Verwaltungseinheiten in 16 der 32 Provinzen Indonesiens Gesetze erlassen, die von der Scharia zumindest beeinflusst sind.

Insgesamt hat der radikale Islam offenbar von den politischen Entwicklungen im Land profitiert. Die Zentralregierung als "oberste Ebene" fühlt sich nicht verpflichtet, ihre Bürger gegen religiöse Übergriffe und Gewalt zu schützen. Dies ist Sache der "unteren Ebene", also der kommunalen Behörden. Diese wiederum kooperieren häufig mit radikalen Muslimen, um ihre Macht zu sichern. Bleiben die Ämter bei der Bekämpfung von islamischem Extremismus jedoch nahezu untätig, so stärkt dies unweigerlich den Einfluss radikaler Kräfte. Die Christen in Indonesien, etwa 15 Prozent der 237,6 Millionen Einwohner, blicken dann in eine düstere Zukunft. Vor einigen Monaten haben Behörden die Taman-Jasmin-Kirche in Bogor geschlossen. Seitdem muss die evangelische Gemeinde ihre Gottesdienste auf der Straße abhalten. Obwohl das Oberste Gericht den Beschluss verworfen hatte, bleibt das Gebäude versiegelt, berichtet die Weltweite Evangelische Allianz (WEA). In der Nachbarschaft leben muslimische Extremisten.

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Elfenbeinküste: Keine systematische Christenverfolgung

Nach den Präsidentschaftswahlen im November 2010 kam es zu blutigen Unruhen in dem westafrikanischen Land. Alassane Ouattara, ein Muslim, hatte die Wahl mit 54,1 Prozent der Stimmen gewonnen. Doch der unterlegene bisherige Amtsinhaber Laurent Gbagbo, protestantischer Christ, wollte seine Abwahl nicht anerkennen. Beide legten den Amtseid auf die Verfassung ab. Im April 2011 marschierten überwiegend muslimische Kräfte im vorherrschend christlich geprägten Süden des Landes ein, um Gbagbo von der Macht zu vertreiben. Mit Unterstützung französischer und UN geführter Truppen wurde Gbagbo am 11. April festgenommen.

Blutige Massaker auf beiden Seiten

Die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" berichtete in der Folgezeit von 149 Hinrichtungen, Folter, willkürlichen Verhaftungen und unmenschlichen Haftbedingungen für die überwiegend jungen Männer, die mutmaßlich der Pro-Gbagbo-Bewegung "Junge Patrioten" angehörten. Außerdem wurden während der Unruhen Frauen vergewaltigt, Häuser niedergebrannt und geplündert und Kirchen angegriffen. In der Missionsstation Duekoue kam es zu einem Massaker bei dem 800 Menschen starben. Über 5.000 Männer, Frauen und Kinder, die in der Kathedrale San Pedro Zuflucht gesucht hatten, wurden angegriffen, ebenso wie 1.800 Flüchtlinge in der Kathedrale von Abidjan sowie 2.500 Flüchtlinge in der Baptistenkirche von Youpogon.

Doch auch Gbagbo-Anhänger gingen brutal gegen vermeintliche Gegner vor: Es kam zu Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigungen; viele Personen verschwanden spurlos. Human Rights Watch berichtete, dass 220 junge Männer in und um Abidjan ermordet wurden, weil sie verdächtigt wurden, Ouattara zu unterstützen. Ebenso war von Morden an Menschen zu hören, nur weil sie Namen der überwiegend muslimischen Stämme aus dem Norden trugen. Auch Einwanderer aus vorwiegend islamischen Nachbarländern wurden getötet. In diesem Zusammenhang steht auch der Granatenanschlag auf den Markt in Abobo, Abidjan und die Ermordung von sechs Frauen in diesem Viertel.

Keine systematische Verfolgung aus Glaubensgründen

Open Doors bewertet diese Gewalttaten nicht als systematische Verfolgung von Christen aufgrund ihres Glaubens, sondern als politischen Machtkampf. Beide Seiten haben Übergriffe begangen, die durch weitere Übergriffe vergolten wurden. Das Augenmerk liegt nun auf der Regierung um Ouattara. Wird sie in der Lage sein, die tiefen Wunden zu heilen, eine geeinte Nation zu bilden und dem ivorischen Volk dienen? Oder wird sie selektiv regieren und bestimmten Eliten, Stämmen oder Religionen den Vorrang geben? Kann die Regierung Ouattara die Herzen der Christen gewinnen und mit ihnen die der südlichen Stämme? Wird es weiterhin Religionsfreiheit geben? Falls nicht, droht der Widerstand gegen die Regierung unter den vorwiegend christlichen Stämmen des Südens zu wachsen. Die Gesellschaft wird sich spalten. Derzeit sind 32 Prozent der 20 Millionen Einwohner Christen; 40 Prozent bekennen sich zum Islam.

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Blickpunkt Iran
Weltverfolgungsindex Platz 2

Im zweiten Quartal dieses Jahres wurden weniger Christen verhaftet. Während in den ersten drei Monaten des Jahres etwa 100 Christen festgenommen wurden, kam es in den folgenden Monaten nur zu zwölf Verhaftungen. Mehrere Christen wurden entlassen. Doch gibt es kaum Grund, von einer Entspannung der Situation für iranische Chris-ten mit muslimischem Hintergrund zu sprechen: Führende islamische Geistliche haben öffentlich vor den wachsenden Hausgemeindebewegungen und vor religiöser "Verführung" besonders junger Iraner gewarnt. Die Behörden sind alarmiert. Äußerungen dieser Art haben den Druck auf ehemalige Muslime weiter erhöht.

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Zeichnung eines Kindes, das an einem Open Doors-Traumaseminar teilgenommen hatBlickpunkt Irak
Weltverfolgungsindex Platz 8

Die Gewaltakte gegen Christen im Irak reißen nicht ab. Auf dem Weltverfolgungsindex von Open Doors gehört der Irak mit Platz 8 zu den zehn Ländern, in denen Christen am stärksten verfolgt werden. Gab es im Jahr 2003 noch eine halbe Million Christen im ganzen Land, so sind es heute schätzungsweise weniger als 300.000. Sie sind der Verfolgung krimineller Banden und radikaler Islamisten ausgesetzt, die offensichtlich den Irak von "Ungläubigen" reinigen wollen. Tag für Tag sind Christen Morddrohungen und Entführungen ausgesetzt. Immer wieder kommt es auch zu gezielten Tötungen. Mit dieser Strategie der Nadelstiche sollen sie geschwächt, eingeschüchtert und schließlich zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen werden. (Foto: Trauma-Bild eines irakischen Christen/Open Doors)

- Nach der Ostermesse am 24. April explodierte am Straßenrand eine Bombe, direkt neben dem Eingang einer katholischen "Herz Jesu Kirche" in Bagdad. Sieben Menschen wurden verletzt.

- Am 13. Mai wurde Ashur Issa Jacob, ein Christ aus dem nordirakischen Kirkuk entführt und getötet. Während der Gefangenschaft war er offensichtlich gefoltert worden.

- Ebenfalls in Kirkuk explodierte am 2. August eine Autobombe vor der syrisch-katholischen "Kirche zur Heiligen Familie" eine Autobombe. Weitere Sprengsätze vor anderen Kirchen konnten entschärft werden.

- Am 15. August ging in der Nacht in der syrisch-orthodoxen Kirche "Mar Afram" (St. Ephraim) in der Innenstadt von Kirkuk eine Bombe hoch. Verletzt wurde niemand. Es entstand jedoch erheblicher Sachschaden. Laut Abuna Gourgis Alyes, Priester der Kirche, war dies der dritte Anschlag innerhalb der vergangenen fünf Jahre.