Weltverfolgungsindex 2023

Ägypten

Christenverfolgung in Ägypten

Berichtszeitraum: 1. Oktober 2021 – 30. September 2022

Überblick

Die meisten Verstöße gegen die Religionsfreiheit finden auf sozialer Ebene statt. Beispielsweise werden Christinnen auf offener Straße belästigt oder aufgebrachte Menschenmengen zwingen Christen nach angeblichen Blasphemie-Vorwürfen dazu, wegzuziehen. Diese Vorfälle ereignen sich vor allem in den ländlichen Gebieten Oberägyptens und in bestimmten städtischen Gebieten, in denen salafistische Gruppen aktiv sind. Berichten zufolge sind Christinnen und christliche Mädchen aus benachteiligten Verhältnissen nach wie vor gefährdet, Opfer von sexuellem Missbrauch, Zwangsbekehrungen und Zwangsheirat zu werden. Der Präsident äußert sich positiv über die historische christliche Gemeinschaft Ägyptens, doch die schwache Strafverfolgung macht Christen anfällig für Angriffe, bei denen in einigen Fällen auch die Sicherheitsdienste eine Rolle spielen. Christen muslimischer Herkunft stehen seitens ihrer Familien unter enormem Druck, zum Islam zurückzukehren. Der Großimam der Azhar-Universität, einer der einflussreichsten islamischen Universitäten der Welt, erklärte, dass Muslime nicht den christlichen Glauben annehmen dürften. Der Staat macht es zudem unmöglich, einen Glaubenswechsel offiziell anerkennen zu lassen.

Länderprofil als PDF

Das folgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus dem Country Dossier von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Das vollständige Dossier auf Englisch sowie das gekürzte Länderprofil auf Deutsch (beides als PDF) finden Sie hier zum Download.

Country Dossier als PDF 

Länderprofil als PDF 

1. Hintergrund

Die Arabische Republik Ägypten ist eine Republik mit einem semipräsidentiellen System. Offiziell gilt Ägypten als Demokratie. In der Praxis waren die Befugnisse des Parlaments immer schwach und de facto regiert der Präsident allein. Die Unabhängigkeit der Justiz ist begrenzt. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Regierung Gerichtsurteile einfach ignoriert. Mit der Vereidigung von Präsident al-Sisi im Jahr 2014 hat sich die Lage in Ägypten stabilisiert, doch die Wahrung der Menschenrechte lässt weiterhin zu wünschen übrig. Al-Sisi geht hart gegen Oppositionsgruppen vor: Tausende seiner Kritiker wurden verhaftet, gefoltert, entführt, vor Militärgerichte gestellt und hingerichtet. Mitarbeiter des Gesundheitswesens, die es gewagt hatten, die Reaktion der Regierung auf die Covid-19-Pandemie zu kritisieren, wurden unter dem Anti-Terror-Gesetz verhaftet. Im Jahr 2018 genehmigte der Präsident das Gesetz zur Bekämpfung von Cyber- und Informationstechnologiedelikten, das angeblich „Extremismus“ und „Terrorismus“ bekämpfen soll. Aber in Wirklichkeit gibt es den Behörden die Befugnis, Inhalte zu blockieren. Die sozialen Medien werden überwacht, Kritik an der Regierung oder am Islam wird nicht geduldet.

Ägypten strebt danach, ein einflussreiches Zentrum des sunnitischen Islam zu sein. Das Land ist kulturell konservativ und hat eine starke nationale Identität. Vor allem in ländlichen und verarmten Gebieten, in denen viele Christen leben, haben extremistische Imame und weniger tolerante Formen des Islam großen Einfluss. Im ganzen Land herrscht eine große Kluft zwischen Christen und Muslimen. Die Diskriminierung von Christen in der Arbeitswelt ist nach wie vor offensichtlich, insbesondere in staatlichen Einrichtungen. Christliche Unternehmen können boykottiert werden. In den Dörfern verlassen christliche Kinder oft frühzeitig die Schule, um das Familieneinkommen zu sichern. Christen sind Angriffen von wütenden Menschenmengen ausgesetzt, die sich durch Gerüchte über angebliche Blasphemie oder die Eröffnung einer neuen Kirche aufwiegeln lassen. In der Regel nutzen die lokalen Behörden sogenannte „Schlichtungstreffen“, um einen Konflikt zu lösen. Dies führt häufig dazu, dass muslimische Angreifer unbestraft bleiben und eine Kultur der Straffreiheit für Gewalt gegenüber Christen entsteht.

Etwa 85 Prozent der Ägypter sind Muslime, die meisten von ihnen sind Sunniten. Der christliche Glaube ist in Ägypten tief verwurzelt; Christen sind vor allem in Oberägypten und in den großen Städten zu finden. Mehr als 90 Prozent der Christen sind koptisch-orthodox. Nach Angaben von Humanists International beinhalten ägyptische Personalausweise eine Rubrik zur Religionszugehörigkeit. Nur Mitglieder der drei „göttlichen Religionen“ (d. h. Islam, Christentum, Judentum) werden anerkannt. Personen, die in eine muslimische Familie hineingeboren werden, sich aber später vom Islam abwenden, dürfen ihre Religionszugehörigkeit auf ihrem Personalausweis nicht ändern.

WeltanschauungenAnhänger%
Christen9.695.0009,1
Muslime95.762.00090,2
Atheisten97.8000,1
Agnostiker594.0000,6

2. Gibt es regionale Unterschiede?

Oberägypten, der südliche Teil des Landes, ist dafür bekannt, islamisch konservativer und extremistischer zu sein als der Norden. Die meisten Vorfälle und Angriffe von Mobs gegen Christen ereignen sich in dieser Region, insbesondere in der berüchtigten Provinz al-Minya, wo die meisten Angriffe pro Kopf auf Christen geschehen. Christen in den wirtschaftlich benachteiligten ländlichen Gebieten im Norden erleben jedoch ein ähnliches Maß an Unterdrückung. Dies geschieht durch extremistische Muslime, insbesondere in den Dörfern und Städten des Nildeltas. Während islamisch-extremistische Gruppen wie die Muslimbruderschaft im ganzen Land Unterstützer haben, sind gewalttätige islamisch-militante Gruppen nur im Nordosten der Sinai-Halbinsel offen aktiv.

3. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?

Islamische Unterdrückung

Die Triebkraft der islamischen Unterdrückung hat in Ägypten viele Gesichter. In der islamischen Kultur gelten Christen als Bürger zweiter Klasse. Diese Sichtweise führt zur Diskriminierung von Christen im politischen Bereich und im Umgang mit staatlichen Behörden. Sie schafft zudem ein Umfeld, in dem der Staat zurückhaltend ist, die Grundrechte der Christen anzuerkennen und durchzusetzen. Im Familienleben stehen Christen muslimischer Herkunft unter großem Druck, ihren Glauben zu widerrufen. Auch vonseiten ihrer Nachbarschaft oder am Arbeitsplatz leiden Christen im Alltag unter islamischer Unterdrückung. In jüngster Vergangenheit gab es mehrere gewalttätige Angriffe extremistischer islamischer Gruppen, die auf Christen abzielten. Diese Gruppen sind jedoch hauptsächlich auf der nordöstlichen Sinai-Halbinsel aktiv.

Diktatorische Paranoia

Ägypten hat eine lange Tradition autoritärer Herrschaft. Im Jahr 2011 wurde die langjährige Diktatur Husni Mubaraks durch massive Proteste der Bevölkerung beendet. Dies führte schließlich zur umstrittenen Wahl von Mohammed Mursi, einem Mitglied der Muslimbruderschaft. Die von ihm geführte Regierung agierte nicht demokratisch und wurde 2013 durch einen nationalen Aufstand mit Unterstützung des Militärs abgesetzt. Gegenwärtig wird das Land von einer Zivilregierung unter dem früheren General Abd al-Fattah al-Sisi regiert, der bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2014 an die Macht kam und im März 2018 wiedergewählt wurde. Diese Regierung scheint den grundlegenden Menschenrechten und dem demokratischen Pluralismus angesichts der enormen aktuellen wirtschaftlichen, politischen, sozialen und sicherheitspolitischen Herausforderungen nur geringe Priorität einzuräumen. In diesem Kontext ist Religionsfreiheit für Christen nicht vollständig gewährleistet.

Unterdrückung durch den Clan oder Stamm

Christen und Muslime handeln als zwei voneinander getrennte Gruppen in der ägyptischen Gesellschaft. Wie in vielen anderen arabischen Ländern beeinflusst das Stammesdenken die Gruppen stark, was leicht dazu führen kann, dass verbale und physische Gewalt gegen diejenigen ausgeübt wird, die sich von der Gruppe entfernt haben. Christen muslimischer Herkunft werden von ihren direkten Verwandten unter Druck gesetzt, da ihnen vorgeworfen wird, Werte wie die Familienehre verletzt zu haben. Es kommt, wie beispielsweise in Oberägypten, häufig zu Übergriffen durch aufgewiegelte Menschenmengen, wenn Christen versuchen, die offizielle Anerkennung eines Kirchengebäudes zu erreichen. Islamische Unterdrückung und Unterdrückung durch den Clan oder Stamm vermischen sich in solchen Fällen, was dazu führt, dass sich die christliche Minderheit stets vorsichtig verhalten muss.

Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Länderprofil.

4. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?

Christen aus traditionellen Kirchen

Die größte Kirche dieser Kategorie ist die Koptisch-Orthodoxe Kirche. Es gibt außerdem im ganzen Land etablierte protestantische und katholische Gemeinschaften. Die große koptische Minderheit ist mit enormen Schwierigkeiten konfrontiert, einschließlich im Bildungswesen und in der staatlichen Gesetzgebung, die wesentliche Aspekte des kirchlichen Lebens einschränkt. Diese Gruppe wird jedoch vom Staat und von der muslimischen Mehrheit aufgrund ihrer historischen Präsenz und ihrer beträchtlichen Größe von mehreren Millionen Menschen im Allgemeinen toleriert. Christen aus anderen traditionellen Kirchen werden regelmäßig von den umliegenden Nachbarschaften angegriffen. Gerüchte, dass ein Gebäude in eine Kirche umgewandelt wurde, ein Vorwurf der Blasphemie (in den sozialen Medien) oder eine Beziehung zwischen einem Christen und einer Muslima reichen aus, um Gewalt auszulösen, etwa durch eine aufgestachelte Menschenmenge. In Fällen von Gewalt werden christliche Opfer oft gezwungen, an traditionellen Schlichtungstreffen teilzunehmen, aus denen die muslimischen Täter weitgehend straffrei hervorgehen. Islamisch-extremistische Gruppen bleiben eine Gefahr, insbesondere in der Sinai-Region.

Christen anderer religiöser Herkunft (Konvertiten)

Es gibt eine kleine, aber wachsende Zahl von Christen muslimischer Herkunft, die die Hauptlast der Verfolgung tragen, meist durch Familienangehörige. Die Verwandten bestrafen christliche Konvertiten für ihre Abwendung vom Islam oft mit Schlägen oder der Vertreibung aus dem Haus. Außerdem werden Konvertiten vom ägyptischen Geheimdienst streng überwacht.

Christen aus protestantischen Freikirchen

Es gibt mehrere evangelikale und pfingstkirchliche Gruppen im Land, manche von ihnen Christen muslimischer Herkunft in der zweiten, dritten oder noch weiter zurückreichenden Generation. Andere stammen aus einem orthodoxen Hintergrund. Sie erleben Druck sowohl durch die muslimische Gesellschaft als auch – in einem geringeren Maße – durch die Koptisch-Orthodoxe Kirche.

5. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?

Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt

Privatleben 12.7
Familienleben 13.5
Gesellschaftliches Leben 11.6
Leben im Staat 12.1
Kirchliches Leben 10.8
Auftreten von Gewalt 7

Die Summe der Wertungen aller sechs Bereiche (die maximale Punktzahl beträgt jeweils 16,7) ergibt die Gesamtpunktzahl und somit die Platzierung auf dem Weltverfolgungsindex. Das Verfolgungsmuster zeigt das Ausmaß von Druck und Gewalt, welche durch das Zusammenwirken der Triebkräfte hervorgerufen werden.

Privatleben

 

Ein Beschluss des Kairoer Verwaltungsgerichts aus dem Jahr 2008 besagt, dass die freie Religionsausübung gewissen Einschränkungen unterliege und dass der Glaubenswechsel vom Islam zu einem anderen Glauben eine Verletzung der Prinzipien des Islam darstelle und deshalb verboten sei. Ein Glaubenswechsel wird gemäß der Blasphemiegesetze bestraft. Mehrere Christen wurden verhaftet oder durch eine aufgebrachte Menschenmenge angegriffen, nachdem sie angeblich in den sozialen Medien den Islam beleidigt hatten. Der Vorwurf der Blasphemie ist leicht zu erheben, weshalb die meisten Christen es vermeiden, über ihren Glauben mit Menschen zu sprechen, die sie nicht kennen oder denen sie nicht vertrauen. Die Feindseligkeit innerhalb der Gesellschaft gegenüber Christen muslimischer Herkunft ist sehr hoch. Bloße Gerüchte eines Glaubenswechsels können zu Gewalt durch eine wütende Menge führen, insbesondere in ländlichen Gegenden. Der Glaubenswechsel wird als große Schande für die Familienehre gesehen. Häufig verstoßen Familien Personen, die sich dem christlichen Glauben zuwenden. Sie zwingen sie dazu, ihren neuen Glauben zu widerrufen, oder versuchen sogar, sie zu töten. Viele halten ihren christlichen Glauben geheim. Christen in Oberägypten sind aus Angst vor Schikanen vorsichtiger mit sichtbaren Symbolen wie Kreuzen in Autos. Die meisten, wenn nicht sogar alle koptischen Christen tragen ein tätowiertes Kreuz auf dem Arm. Es dient als Erkennungszeichen beim Betreten einer Kirche. Das macht sie jedoch auch für Angreifer leichter erkennbar.

 

Familienleben

 

Für Christen muslimischer Herkunft ist es unmöglich, ihre Religionszugehörigkeit in ihrem Personalausweis zu ändern. Kinder haben automatisch dieselbe Religionszugehörigkeit wie ihre Väter, so werden Kinder von Christen muslimischer Herkunft als muslimisch registriert. Nach der Scharia darf ein Christ keine muslimische Frau heiraten und auch zwei Christen muslimischer Herkunft dürfen nicht kirchlich heiraten. Der Druck vonseiten der Familie, sich von einem Christen muslimischer Herkunft scheiden zu lassen, ist hoch. Doch selbst wenn es nicht zu einer Scheidung kommt, verliert der Ehepartner christlichen Glaubens gemäß der Scharia sein Erb- und Sorgerecht. Der Islam ist im Bildungssystem vorherrschend. Kinder von koptisch-orthodoxen Christen haben ihren eigenen Religionsunterricht, müssen aber dennoch im Rahmen des Lehrplans islamische Literatur und den Koran studieren. Zuweilen wird kein christlicher Religionsunterricht angeboten, und in einigen Fällen müssen christliche Schüler am islamischen Religionsunterricht teilnehmen. An christlichen Privatschulen bleibt Kindern dies oftmals erspart, doch das ist nur wenigen christlichen Familien finanziell möglich.

 

Gesellschaftliches Leben

 

Diskriminierung am Arbeitsplatz ist weitverbreitet. Christen bekommen keine Anstellungen im Geheimdienst oder in hohen Positionen in der Armee. Auch in hohen Regierungsämtern sind sie unterrepräsentiert. In den letzten zehn Jahren gab es keinen einzigen christlichen Spieler in der Fußballnationalmannschaft, obwohl Christen mehr als neun Prozent der Bevölkerung ausmachen. Diese Diskriminierung hat zu einem hohen Maß an unternehmerischer Aktivität unter Christen geführt, da sie sich bei der Suche nach Arbeitsplätzen nicht auf den Staat oder private Arbeitgeber verlassen können. Druck und Verfolgung existiert vor allem in armen Stadtvierteln und ländlichen Gebieten, insbesondere in Oberägypten. Örtliche islamistische Gruppen wissen, wo im Dorf Christen wohnen, und überwachen sie, um sicherzustellen, dass sie das Evangelium nicht weitergeben oder den Islam auf andere Weise „missachten“. In den letzten Jahren wurden immer wieder Christen angegriffen, da sie angeblich den Islam beleidigt oder eine Beziehung mit einer muslimischen Frau gehabt hatten. Die Polizeipräsenz und die staatliche Kontrolle sind in den ländlichen Gebieten weniger streng, und Angriffe auf Christen durch aufgebrachte Menschenmengen bleiben oft ungestraft. Auch auf staatlicher Ebene werden Christen überwacht. Der Sicherheits- und Geheimdienst bespitzelt Christen muslimischer Herkunft – und versucht sie dazu zu zwingen, Informationen über Gruppen von Christen muslimischer Herkunft preiszugeben. Obwohl alle Frauen Formen von (sexueller) Belästigung erleben, sind unverschleierte Frauen, einschließlich aller Christinnen, besonders gefährdet.

 

Leben im Staat

 

In Artikel 64 der Verfassung heißt es: „Die Freiheit des Glaubens ist uneingeschränkt“, dennoch sind Christen muslimischer Herkunft nicht geschützt. Offiziell anerkannten Christen steht es frei, ihr eigenes Personenstandsrecht und ihre religiösen Angelegenheiten zu regeln, aber in Fällen zwischen einem Muslim und einem Nichtmuslim gilt die Scharia. Wenn ein Christ muslimischer Herkunft seine Religionszugehörigkeit ändern lassen will, ist es wahrscheinlich, dass die Behörden ihn unter Beobachtung stellen und sich auf die Blasphemiegesetze berufen, um strafrechtlich gegen ihn vorzugehen. Vorwürfe der Blasphemie und Äußerungen gegen die Regierung können zu Verhaftung, Folter und Gefängnis führen. Die Misshandlung von christlichen Konvertiten durch Familienmitglieder wird als Familienangelegenheit betrachtet und kann straffrei erfolgen.

 

Kirchliches Leben

 

Kirchen nehmen nur selten Christen muslimischer Herkunft auf, um zu vermeiden, dass ihnen von der Regierung und der Gesellschaft Evangelisation vorgeworfen wird, was zu Angriffen oder einer Schließung der Kirche aus „Sicherheitsgründen“ führen könnte. Es ist üblich, dass Polizei und Geheimdienst einen Zeitplan für alle Veranstaltungen in der Kirche anfordern. Sie sind befugt, Veranstaltungen unter dem Vorwand des Schutzes der nationalen Sicherheit abzusagen. Manchmal mischen sich Polizisten in Zivil unter die Gottesdienstbesucher, um zu überwachen, was gepredigt wird. Viele Gemeinden erfahren Widerstand oder sogar Gewalt, wenn sie ihr Kirchengebäude nach dem 2016 erlassenen Gesetz zum Bau von Kirchen legitimieren lassen wollen. Trotz der Legitimierung von über 2.000 Kirchen seit der Einführung des Gesetzes warten viele noch immer auf ihre Anerkennung. In einigen Regionen können kirchliche Veranstaltungen diskret im Freien abgehalten werden, aber viele Christen sehen davon ab, da sie als Provokation ausgelegt werden könnten.

 

Beispiele für Auftreten von Gewalt

 

  • April 2022: Der koptisch-orthodoxe Priester Arsanious Wadid (56) wurde am 7. April 2022 von einem Islamisten getötet. Der Mord ereignete sich an der Strandpromenade von Alexandria während eines Ausflugs mit der Jugendgruppe seiner Kirche.
  • Juni 2022: Ein christlicher Mann wurde in der Provinz Sohag in Oberägypten angegriffen und getötet. Der Täter wurde (von seiner Familie) für psychisch instabil erklärt, eine Ausrede, die häufig verwendet wird, um einen extremistischen muslimischen Angreifer zu entschuldigen.
  • August 2022: Ein christlicher Vater und sein Sohn wurden auf der Sinai-Halbinsel getötet, höchstwahrscheinlich von Kämpfern mit Verbindungen zum „Islamischen Staat“.

 

6. Entwicklung in den letzten 5 Jahren

JahrPlatzierungPunktzahl
20233568
20222071
20211675
20201676
20191676

Der Rückgang um drei Punkte im Weltverfolgungsindex 2023 ist vor allem auf die geringere Zahl der gemeldeten Gewalttaten zurückzuführen; so gab es beispielsweise weniger Berichte über Angriffe und Beschädigung von christlichem Eigentum sowie über Tötungen aus Glaubensgründen. Dennoch ist das Ausmaß der Gewalt gegen Christen sehr hoch; mindestens fünf Christen wurden getötet und mehr als 20 angegriffen, neben anderen gemeldeten Vorfällen. Darüber hinaus wurde eine große Zahl von Christen muslimischer Herkunft von den ägyptischen Sicherheitsdiensten verhaftet und körperlich misshandelt.

7. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?

Frauen

Christliche Frauen aus benachteiligten Verhältnissen werden häufig von Angehörigen islamistischer Netzwerke durch sexuellen Missbrauch, Vergewaltigung und Zwangskonversion zur Heirat gezwungen. Dies geschieht vor allem in ländlichen und armen städtischen Gebieten. Die Polizei ist oft mitschuldig oder bleibt untätig, weshalb viele Frauen unauffindbar bleiben. Christliche Mädchen werden in Ehen gelockt; diese Mädchen sind oft minderjährig und kommen aus sozial schwachen Familien. Christinnen muslimischer Herkunft können zu Hause eingesperrt, geschlagen oder sogar getötet werden, um die „Ehre“ der Familie zu verteidigen. Wenn sie verheiratet sind, ist es für muslimische Männer leicht, sich von Christinnen scheiden zu lassen und ihnen das Sorgerecht für ihre Kinder wegzunehmen.

Männer

Es gibt nur wenige Christen in hohen militärischen oder staatlichen Positionen. Vor allem in ländlichen Gebieten haben junge Männer Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden – sie werden aufgrund ihres christlichen Glaubens benachteiligt. Die Belastung durch diese Entwicklung hat Berichten zufolge zu höheren Raten von häuslicher Gewalt und Scheidungen geführt. Täter nutzen diese finanziellen Schwierigkeiten, um jüngere Männer zum Islam zu bekehren, indem sie sie mit finanziellen Anreizen locken. Kirchenleiter, die meist männlich sind, sind besonders gefährdet, Opfer von Rechtsverletzungen (einschließlich Tötungen) zu werden, zum Teil weil sie leicht als Christen zu erkennen sind.

8. Verfolgung anderer religiöser Gruppen

Andere religiöse Gruppen, die in Ägypten Verfolgung erleben, sind die muslimischen Minderheiten der Schiiten und Sufis, des Weiteren Bahai, Mormonen und Zeugen Jehovas. Besonders schiitische Muslime werden von sunnitischen Kämpfern angegriffen, was es für sie gefährlich macht, ihren Glauben offen zu leben. Mormonen, Bahai und Zeugen Jehovas wird die Anerkennung durch die Behörden verweigert, was es ihnen erschwert, religiöse Gebäude zu errichten. Der missionarische Eifer und entsprechende Aktivitäten solcher Gruppen gelten als illegal, und so sind die Anhänger sowohl vonseiten der Staatsbeamten als auch der Gesellschaft, einschließlich Ägyptern mit christlichem Hintergrund, mit Feindseligkeit konfrontiert. Auch Atheisten, besonders wenn sie in den sozialen Medien aktiv sind, werden sehr häufig Opfer von Verfolgung.

9. Gebetsanliegen

Bitte beten Sie für Ägypten:

  • Bitten Sie angesichts von Armut und Arbeitslosigkeit, dass die Christen gute Arbeitsplätze finden, sodass sie ihre Familien ernähren können.
  • In der Gesellschaft gelten Frauen als minderwertig und sind besonders gefährdet, durch islamische Extremisten verfolgt zu werden. Beten Sie um Schutz der Christinnen, und darum, dass sie durch den Glauben an Jesus gestärkt werden.
  • Beten Sie dafür, dass Jesus die Herzen von einflussreichen Persönlichkeiten verändert, damit sie die Beiträge zur Gesellschaft von Christen anerkennen und sich für sie einsetzen.

Ägypten: Informieren und helfen

Meldungen

Aktuelle Meldungen zu Ägypten

Lesen Sie hier aktuelle Nachrichten und persönliche Berichte verfolgter Christen aus den Ländern des Weltverfolgungsindex, und abonnieren Sie unsere kostenlosen Formate.

Beten

Beten

Gebet ist das Erste, um das verfolgte Christen uns bitten und ist daher essenzieller Teil unseres Dienstes. Erfahren sie hier, wie sie konkret für verfolgte Christen beten können.

Spenden

Spenden

Ohne Ihren Einsatz wäre unser weltweiter Dienst nicht möglich. Ihre finanzielle Unterstützung macht einen Unterschied im Leben verfolgter Christen!