Weltverfolgungsindex 2023

China

Karte China
Flagge China
Platz
16
Punkte
77
Vorjahr: Platz
17
Punkte
76
Bevölkerung
1.448.471.000
96.700.000
Christen
6,7
Hauptreligion
Atheistische Staatsideologie
Staatsform
Sozialistische Republik mit Einparteiensystem
Staatsoberhaupt
Präsident Xi Jinping

Christenverfolgung in China

Berichtszeitraum: 1. Oktober 2021 – 30. September 2022

Überblick

Die christliche Minderheit wird, wie Religionen im Allgemeinen, von der Kommunistischen Partei als Bedrohung angesehen. Die Partei verfolgt eine Politik der „Sinisierung“ der Kirchen. Dies bedeutet eine immer stärkere Kontrolle durch die Kommunistische Partei, verbunden mit einer Angleichung an ihre Werte und Ziele. In früheren Berichtszeiträumen wurden vor allem große Kirchen, die politisch aktiv waren oder ausländische Gäste einluden, überwacht und geschlossen; jetzt kann dies jede Kirche treffen, ob unabhängig oder staatlich anerkannt. Anstatt jedoch eine Kirche oder ein Kirchengebäude in aller Öffentlichkeit zu schließen, verweigerten die Behörden einfach die Wiedereröffnung, nachdem die Beschränkungen aufgrund der Covid-19-Pandemie in einigen Regionen aufgehoben worden waren. Bereits seit 2018, also schon vor der Pandemie, sind manche Kirchen und Versammlungsräume einfach verschwunden. Die Gemeinden teilten sich dabei zumeist in kleine Gruppen auf, die sich oft online trafen. Neben den Verordnungen zu Religion (Regelungen für Online-Treffen und Maßnahmen für die Finanzverwaltung von religiösen Einrichtungen) gibt es strenge Beschränkungen für das Internet, soziale Medien und Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Bibel-Apps wurden aus den Appstores verbannt, aber andere religiöse Inhalte sind weiterhin verfügbar. Wird ein christlicher Konvertit aus dem Islam oder dem tibetischen Buddhismus von seinem sozialen Umfeld oder seiner Familie entdeckt, so sind häufig Drohungen, tätliche Angriffe oder eine Anzeige bei der Polizei die Folge. Es kommt vor, dass Ehepartner zur Scheidung gezwungen werden.

Länderprofil als PDF

Das folgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus dem Country Dossier von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Das vollständige Dossier auf Englisch sowie das gekürzte Länderprofil auf Deutsch (beides als PDF) finden Sie hier zum Download.

Country Dossier als PDF

Länderprofil als PDF

1. Hintergrund

Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) hat ihren Einfluss auf die Gesellschaft (einschließlich aller religiösen Aktivitäten) verschärft und bedient sich zunehmend maoistischer Rhetorik und Ideologie, um die Bürger auf Linie zu halten. Die Hauptmethode der KPCh zum Erreichen des übergeordneten Ziels, alles im Land zu kontrollieren, ist die Betonung der kommunistischen Ideologie. Es gibt kaum eine öffentliche Erklärung oder Sitzung ohne einen Hinweis darauf, wie wichtig die Beachtung kommunistischer Werte ist. Dies war schon zu Beginn der Amtszeit von Generalsekretär Xi Jinping im Jahr 2012 ein Schwerpunkt; seine umfassende Bedeutung erhielt es aber erst im Oktober 2017, als sein Name und seine Gedanken („Xi Jinpings Gedanken zum Sozialismus chinesischer Prägung in einer neuen Ära“) offiziell in die Verfassung der KPCh aufgenommen wurden. Mehrere Universitäten haben Fakultäten eröffnet, um dieses Gedankengut zu lehren; die KPCh hat mittlerweile eine App veröffentlicht, um ihre Mitglieder darin zu testen. Es werden große Anstrengungen unternommen, um den Bürgern Xis Denken über die Medien, im Rahmen der Hochschulbildung und sogar schon im Kindergarten zu vermitteln. Diejenigen, die innerhalb der Partei als nicht loyal genug erachtet werden, werden entfernt oder ausgegrenzt; der christliche Glaube muss aufgegeben werden, um Karriere im öffentlichen Dienst zu machen. Die KPCh gibt Lehrern durch den Inhalt der Geschichtslehrbücher vor, was gelehrt werden soll. Bücher, die den Atheismus propagieren, wie z. B. das Buch „Die Grundsätze des wissenschaftlichen Atheismus“, wurden als Lehrbücher an Hochschulen genauso verteilt wie unter Kadermitgliedern der Kommunistischen Partei. Auf dem Partei-Kongress im Oktober 2022 sicherte sich Generalsekretär Xi eine dritte Amtszeit. Alle sieben Mitglieder des sogenannten „Ständigen Ausschusses des Politbüros“ (der mächtigsten Institution des Landes) scheinen so ausgewählt worden zu sein, dass weder ihre Leistungen noch ihr fortgeschrittenes Alter es wahrscheinlich machen, dass sie in der Lage – geschweige denn willens – wären, die Herrschaft von Generalsekretär Xi in Frage zu stellen oder auch nur sinnvolle alternative Ansichten zu vertreten.

Die chinesischen Kirchen, ob staatlich anerkannt oder nicht, sind in zunehmendem Maße vom neuen Ansatz der KPCh betroffen, sich aktiv in die kirchlichen Angelegenheiten einzumischen. Die Kirchen werden streng überwacht und stehen unter dem Druck, die kommunistische Ideologie zu vermitteln. Die 2020 eingeführten Verordnungen zu Religion (Verwaltungsmaßnahmen für religiöse Gruppen) bieten den Behörden eine Rechtsgrundlage für ihr Eingreifen. Diese Regeln gelten sogar für die Auswahl von kirchlichen Leitern. Es gab Razzien und Kirchen wurden geschlossen, Leiter wurden verhaftet und christliches Material beschlagnahmt. Diese Vorschriften wurden durch Anordnungen für Geistliche aktualisiert und erweitert.

Gemäß seiner Verfassung ist China atheistisch. Rund 40 Prozent der Bürger stimmen den Werten des Konfuzianismus zu, der von der Regierung als wahrhaft chinesisch gepriesen wird. Da es sich hierbei eher um eine Philosophie handelt, kann sie kommunistische Machthaber integrieren. Die Regierung warnt die Bürger vor religiösen Gruppen und schafft Anreize, illegale religiöse Aktivitäten zu melden. Kirchen in der Provinz Shandong (und zunehmend auch anderswo) wurden gezwungen, von der Regierung erstellte Plakate mit Bibelversen zur Veranschaulichung der 12 sozialistischen Grundsätze aufzuhängen. Die staatlich genehmigten und kontrollierten Kirchenverbände sind: die Patriotische-Drei-Selbst-Bewegung (TSPM – protestantisch) und die Patriotische Katholische Vereinigung (CPA). Protestantische Kirchen, die nicht der TSPM angehören, gelten als illegal und werden als Haus- oder Untergrundkirchen bezeichnet, obwohl sie Hunderte von Mitgliedern haben können.

Weltanschauungen

Anhänger

%

Christen

96.700.000

6,7

Buddhisten

239.374.075

16,5

Agnostiker

469.705.644

32,4

Andere

459.708.385

31,7

2. Gibt es regionale Unterschiede?

Christen muslimischer und buddhistischer Herkunft, die zu einer ethnischen Minderheit gehören, erfahren in China wohl die stärksten Einschränkungen von Religionsfreiheit, da diese von ihren Familien und ihrem sozialen Umfeld ausgehen. Brennpunkte dafür sind Xinjiang, Tibet und Westchina, sowie die Provinzen Sichuan und Yunnan, Qinghai und Ningxia. Auch die Provinzen Henan, Zhejiang, Anhui und Jiangxi können als regionale Brennpunkte der Verfolgung gelten, da dort viele protestantische Christen leben; genauso Hebei, wo eine große Anzahl katholischer Christen lebt. Gleichwohl sehen sich Christen und christliche Kirchen überall im Land mit Restriktionen und Überwachung konfrontiert. Aus allen Provinzen wird davon berichtet. Die Kommunistische Partei unternimmt große Anstrengungen, Berichte darüber einzuschränken, und das im Berichtszeitraum mit zunehmendem Erfolg.

3. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?

Kommunistische Unterdrückung

Das übergeordnete Ziel der Kommunistischen Partei ist der Machterhalt, den sie durch nationale Einheit und durch die Minimierung von möglichen Bedrohungen wie religiösen Gruppen und Gruppierungen ethnischer Minderheiten zu sichern versucht. Christen gelten als gefährlich, da sie den größten gesellschaftlichen Teil in China darstellen, der nicht vollständig vom Staat kontrolliert wird. Gemäß den aktualisierten Regeln der Kommunistischen Partei werden alle Mitglieder, die selbst nach einer „Weiterbildung zur gedanklichen Festigung“ an religiösen Überzeugungen festhalten, „aufgefordert, die Partei zu verlassen“. Die meisten Beamten sind zu allem bereit, um ihre Position zu sichern, unabhängig davon, ob sie persönlich von der kommunistischen Ideologie überzeugt sind. In vielen Regionen Chinas werden christliche Aktivitäten behindert. Obwohl Hauskirchen nach wie vor am stärksten betroffen sind (vor allem, wenn sie in der Jugendarbeit aktiv sind), sind auch die von der Regierung kontrollierten Kirchen mit Einschränkungen konfrontiert. Katholiken, die dem Vatikan gegenüber loyal sind, werden massiv unterdrückt. Muslimische und tibetische Autoritätspersonen werden manchmal von der Kommunistischen Partei in die Pflicht genommen, um als Parteifunktionäre zu fungieren und christliche Aktivitäten einzuschränken.

Diktatorische Paranoia

Präsident Xi Jinping hat seine Macht in einer Weise gefestigt, wie es seit Mao Zedong nicht mehr der Fall war. Unter Xi ist die Kommunistische Partei geradezu militant in ihren Bemühungen geworden, jede vermeintliche Bedrohung ihrer Autorität anzugreifen. In ihrem Bestreben, an der Macht zu bleiben, haben die Kommunistische Partei und die Regierungsbehörden genau untersucht, was in anderen Ländern zum Niedergang des Kommunismus geführt hat. Ein Faktor, um den Niedergang zu verhindern, ist die Kontrolle gesellschaftlicher Gruppen wie der Christen. Sie gelten immer noch als fremdartiger Einfluss, der mit ausländischen und vorwiegend westlichen Kräften in Verbindung steht. Die Partei übt großen Druck auf die Beamten aus, damit sie ihre Politik umsetzen, und bietet ihnen dafür Anreize.

Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Länderprofil.

4. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?

Ausländische Christen und Arbeitsmigranten

Gemeinschaften ausländischer Christen genießen im Vergleich zu anderen christlichen Gruppen mehr Freiheit, werden aber bei ihren Kontakten mit den einheimischen chinesischen Kirchen überwacht und eingeschränkt. Chinesische Behörden gehen jedoch im ganzen Land hart gegen ausländische christliche Missionare vor, insbesondere gegen jene aus Südkorea, aber auch aus den USA und Taiwan sowie gegen Christen aus Hongkong. Die chinesischen Behörden haben einen Entwurf neuer Vorschriften für Ausländer und deren Beteiligung an religiösen Aktivitäten in China veröffentlicht. Diese Vorschriften sind Teil einer Reihe von Gesetzesverschärfungen im religiösen Bereich und schränken den Kontakt einheimischer Bürger mit ausländischen Gläubigen im Land ein. Die Zahl der ausländischen Christen ist stark rückläufig. Das liegt zum einen an den oben genannten Maßnahmen, aber auch an den Einschränkungen infolge der Pandemie.

Christen aus traditionellen Kirchen

Mit dieser Kategorie gerät eine Besonderheit der chinesischen Kirchen und Gemeinden in den Blickpunkt: Es gibt registrierte und staatlich anerkannte Kirchen wie die oben bereits erwähnten, die protestantische TSPM und die katholische CPA. Diesen Kirchen stehen die nicht registrierten, unabhängigen Kirchen gegenüber, wozu im katholischen Bereich die Christen gehören, die dem Vatikan gegenüber loyal bleiben. Kirchen, die zur TSPM oder CPA gehören, stehen unter staatlicher Kontrolle. Auch wenn es keine unmittelbare Zensur gibt, äußern sie sich nur sehr vorsichtig. Direkt staatlich beeinflusst wird dagegen die Wahl der Führungspersonen dieser Kirchen. TSPM und CPA haben jeweils einen Fünfjahresplan über Maßnahmen zur „Sinisierung“ ihrer Kirchen veröffentlicht, also darüber, wie sie sich an die Werte der chinesischen Kultur anpassen wollen, die von der Kommunistischen Partei vorgegeben werden. Dazu verfassen die Kirchenleitungen fortlaufend Diskussionspapiere, etwa zur Sinisierung im katholischen Kontext. Somit sind Christen der traditionellen Kirchen massiv von der Sinisierung (auch: „Sinifizierung“) betroffen, aber auch von der Intensivierung der staatlichen Kontrolle sowie der verzögerten oder verweigerten Wiedereröffnung von Kirchen nach der Covid-19-Pandemie. Seit September 2018 ist der Heilige Stuhl in Rom Vertragspartei eines „Provisorischen Abkommens“ mit China über die Ernennung römisch-katholischer Bischöfe. Dieses Abkommen wurde zunächst 2020 und nun auch 2022 um jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Entgegen aller Kritik und im Wissen um die Begrenztheit des Abkommens hat der Vatikan offenbar beschlossen, dass die Vorteile des Abkommens dessen Risiken überwiegen. Da der Inhalt des Abkommens geheim bleibt und nicht veröffentlicht werden darf, sind weitere Einzelheiten nicht bekannt. Allerdings hat das Abkommen zu keiner spürbaren Verbesserung der Situation katholischer Christen geführt.

Christen anderer religiöser Herkunft (Konvertiten)

Konvertiten haben entweder eine muslimische oder buddhistische (tibetische) Herkunft. Sie leben in Regionen mit ethnischen Minderheiten, die aufgrund von Unabhängigkeitsbestrebungen immer instabiler werden. Deshalb erleben christliche Konvertiten Druck aus zwei Richtungen: sowohl von der Regierung als auch von der Familie bzw. dem sozialen Umfeld. Die Regierung schränkt jede Versammlung oder Tätigkeit ein, die sie für politisch oder gefährlich hält. Währenddessen setzen Familie, Freunde und soziales Umfeld die christlichen Konvertiten unter Druck, zum „wahren Glauben“ zurückzukehren, da dieser ein wichtiger verbindender Faktor für die ethnischen Gruppen ist – gerade angesichts des „Gesetzes zur ethnischen Einheit“, das von den kommunistischen Behörden durchgesetzt wird.

Christen aus protestantischen Freikirchen

Zu dieser Gruppe zählen Christen aus einer Vielzahl evangelikaler, baptistischer und pfingstlicher Gemeinden mit den verschiedensten Bezeichnungen. Auf der protestantischen Seite sind hier die sogenannten Hauskirchen oder Untergrundkirchen zu nennen, die meist nicht registriert sind. Anders als noch vor einigen Jahren, als Gemeinden aus Hunderten von Mitgliedern bestanden und sich in einigen Provinzen offen in Bürogebäuden trafen, sind die meisten Hauskirchen jetzt zu Treffen in Privathäusern zurückgekehrt. Infolge der Pandemie haben viele Kirchen ihre Präsenzveranstaltungen eingestellt und ihre Gottesdienste ins Internet verlegt. Es gab jedoch Fälle, wo solche digitale Gemeindeversammlungen – etwa über Zoom und ähnliche Anbieter – aufgrund der Vorschriften für Online-Konferenzen unterbrochen wurden. Infolgedessen haben sich viele Hauskirchen in kleinere Gruppen aufgespalten.

5. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?

Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt

Privatleben 12.9
Familienleben 10
Gesellschaftliches Leben 12.7
Leben im Staat 14.5
Kirchliches Leben 15.6
Auftreten von Gewalt 11.1

Die Summe der Wertungen aller sechs Bereiche (die maximale Punktzahl beträgt jeweils 16,7) ergibt die Gesamtpunktzahl und somit die Platzierung auf dem Weltverfolgungsindex. Das Verfolgungsmuster zeigt das Ausmaß von Druck und Gewalt, welche durch das Zusammenwirken der Triebkräfte hervorgerufen werden.

Privatleben

Der Zugang zu christlichen Online-Inhalten ist möglich (sofern nicht blockiert), wird aber von der Regierung streng überwacht. Die Christen bereiten sich bereits auf weitere Einschränkungen vor, und es wird ein beträchtliches Maß an Selbstzensur betrieben. Die Regierung blockiert zunehmend Websites und schränkt die Spielräume für verfügbare religiöse Inhalte ein. So wurden zum Beispiel religiöse Bücher beim Hörbuch-Dienst „Audible“ von Amazon verboten sowie auch Bibel- und Koran-Apps beim „App Store“ von Apple. Dies ist das Ergebnis der Umsetzung neuerer Verordnungen, von denen einige bereits 2018, andere aber erst im März 2022 in Kraft traten. Aus mehreren Gegenden Chinas gibt es Berichte, wonach Behörden gewaltsam in die Häuser von Christen eingedrungen sind. Christliche Konvertiten mit muslimischem oder buddhistischem Hintergrund halten ihren Glauben meist geheim, da sie mit Drohungen vonseiten örtlicher Behörden oder sogar mit ihrer Verhaftung rechnen müssen. Partei- und Militärangehörige, die den christlichen Glauben annehmen, tendieren ebenfalls dazu, ihren Glauben geheim zu halten. Kinder und Jugendliche sollen nicht der Religion „ausgesetzt“ werden.

Familienleben

Kindern unter 18 Jahren ist die Teilnahme an religiösen Veranstaltungen untersagt. Christliche Schüler werden gezwungen, im atheistischen Schulsystem Inhalte zu lernen, die sich gegen ihren Glauben und die Bibel richten. In mehreren Landesteilen wurden Kinder von Christen von den Behörden gezwungen, durch ihre Unterschrift zu bestätigen, dass sie „nicht religiös“ sind. Zudem werden Kinder unter Druck gesetzt, die Religion ihrer Eltern preiszugeben. Die Kommunistische Partei warnt, religiöse Aktivitäten würden als illegales Verhalten angesehen – mit der Folge, dass viele Kinder von Christen verwirrt und manchmal wütend auf ihre christlichen Eltern sind. Die Einführung des Bildungsreformplans „Kinder sprechen im Einklang“ veranlasste einen Beobachter zu der Feststellung, dies ziele darauf ab, „von der Vorschule an Musterbürger zu formen“. In einigen Gegenden wird christlichen Kindern damit gedroht, dass sie ihren Abschluss nicht machen dürfen oder nicht zum weiteren Studium zugelassen werden; betroffen sind insbesondere solche mit konvertierten Eltern.

Gesellschaftliches Leben

Die Überwachung (z. B. durch Videoüberwachung, Nachbarschaftskomitees und Sicherheitskräfte) ist weit verbreitet; prominente Christen stehen unter besonderer Beobachtung. Die Kommunistische Partei pflegt ein Belohnungssystem, um lokale Sicherheitskräfte darin anzuspornen, Unregelmäßigkeiten zu melden. Die engmaschige Form der Netzwerkverwaltung („grid management“) wird unter anderem zur Überwachung von Nachbarschaften eingesetzt. Kirchenleiter werden häufig zu Verhören auf örtliche Polizeistationen vorgeladen, so auch im Fall der „Early Rain Covenant Church“ (ERCC) in Chengdu (siehe auch unter „Beispiele für Auftreten von Gewalt“). Diskriminierung im Erwerbsleben tritt gerade im öffentlichen Sektor häufig auf (z. B. werden Anhänger einer Religion von solchen Behördenpositionen ausgeschlossen, die eine Parteimitgliedschaft erfordern). In seltenen Fällen drängt die Regierung private Arbeitgeber dazu, Verträge mit Anhängern einer Religion zu kündigen. Christliche Konvertiten muslimischer oder buddhistischer Herkunft werden von ihrer Familie und ihrem sozialen Umfeld unter Druck gesetzt, zu ihrem früheren Glauben zurückzukehren; oftmals werden sie so lange diskriminiert, bis sie nachgeben.

Leben im Staat

Die chinesische Verfassung gewährt in der Theorie Religionsfreiheit, schützt jedoch nur „normale“ religiöse Aktivität. Dabei ist es dem Staat überlassen, zu definieren, was als „normale“ religiöse Aktivität gesehen werden kann. Was das bedeutet, lässt sich für den Berichtszeitraum des Weltverfolgungsindex 2023 am besten am Beispiel von Chang Yuchun und Li Chenhui veranschaulichen. Beide wurden vom Stadtgericht der Stadt Xi’an in der Provinz Shaanxi zu sieben Jahren Haft verurteilt, weil sie vermeintlich „illegale Geschäfte“ mit dem Druck und Verkauf christlicher Bücher betrieben hätten. Ihr Einspruch wurde abgelehnt.

Es gibt viele Möglichkeiten, religiöse Minderheiten zu diskriminieren: die Verweigerung von Genehmigungen, die Durchführung von Finanzermittlungen angeblich zur Aufdeckung ausländischer Verbindungen oder die Schließung von Kirchen wegen mutmaßlicher Verstöße gegen Bau- oder Brandschutzvorschriften. Christen, die von staatlichen Subventionen abhängig sind (z. B. ältere Menschen), werden von örtlichen Parteifunktionären unter Druck gesetzt, sich zwischen ihrem Glauben und der staatlichen Unterstützung zu entscheiden. Der Text mit dem Titel „Stellungnahmen zur Bereitstellung von Justizdiensten und Schutz zur Beschleunigung der Modernisierung der Landwirtschaft und des ländlichen Raums“ enthält unter Punkt 9 Leitlinien für die Umsetzung des allgemeinen nationalen Sicherheitskonzepts und zur Förderung von Harmonie und Stabilität in ländlichen Regionen. Religiöse Aktivitäten werden darin ebenfalls aufgeführt – zusammen mit verschiedenen anderen „gefährlichen Kräften“ in der Gesellschaft.

Kirchliches Leben

Alle christlichen Gemeinschaften werden überwacht. Die Aktivitäten von Kirchen werden nicht nur durch anwesende Agenten überwacht, sondern auch durch Überwachungskameras, die die Kanzel, die Gemeinde und das umliegende Kirchengelände unter Beobachtung halten. Predigten im Sonntagsgottesdienst müssen vorab genehmigt werden, wobei die Sachlage sich regional unterscheidet. Die Überwachung nicht registrierter Kirchen hat im aktuellen Berichtszeitraum zugenommen. Immer mehr Hauskirchen sehen sich Schikanen und Behinderungen ausgesetzt, sobald ihre Aktivitäten entdeckt werden. Die meisten Hauskirchen waren gezwungen, kleine Gruppen zu bilden und sich an mehreren Orten zu versammeln, um ihrer Entdeckung zu entgehen. Ein Experte für das Land fasste die Entwicklung so zusammen: „Schon vor Covid-19 hatte die Regierung damit begonnen, große nicht registrierte Gemeinden zu schließen. Während des Lockdowns waren dann keine öffentlichen Treffen erlaubt, sodass sich die Christen online trafen. Es ist nun höchst unwahrscheinlich, dass nicht registrierte Gruppen versuchen werden, wieder zu großen Präsenzveranstaltungen zurückzukehren. Die Zukunft der kleinen Gruppen und ihrer Treffen, die derzeit von vielen praktiziert werden, ist ungewiss.“ Viele Hauskirchen sind zu (begrenzten) Online-Treffen übergegangen. Kirchen, die offiziell dauerhaft geschlossen werden, verlieren alles – einschließlich ihres Eigentums und Vermögens. Das ist ein Phänomen, das eher in ländlichen Gebieten auftritt. Im Mai 2021 wurden neue Vorschriften für religiöse Einrichtungen bekannt gegeben. Neben anderen Zielen sind besonders Artikel 4, 9 und 39 aufschlussreich. Darin wird hervorgehoben, wie wichtig es ist, eine Reservetruppe von patriotischem religiösem Nachwuchs aufzubauen. Die Verordnungen schreiben auch vor, dass die dazu eingerichteten Lehrveranstaltungen eine Reihe von Kursen über ideologische und politische Theorie umfassen müssen. Als deren Ziel sollte das Erlernen von Xi Jinpings Gedankengut gelten. Mit dieser Sinisierungskampagne werden die Pastoren in den registrierten Kirchen zunehmend unter Druck gesetzt, die Lehre der Partei in den Kirchen zu vermitteln. Die Kommunistische Partei führte außerdem eine neue Regelung für Geistliche ein. Dort wird in Artikel 3 hervorgehoben, dass Geistliche das Vaterland lieben, die Führung der KPCh unterstützen und sich an die Vorgaben zur Sinisierung der Religion in China halten sollten. Werden diese Vorschriften strikt durchgesetzt, wird die Freiheit der Kirchen erheblich eingeschränkt. Die 2022 in Kraft getretene Gesetzgebung zu religiösen Aktivitäten im Internet wird möglicherweise zu Einschränkungen bei Online-Treffen führen. Die Gemeinden versuchen, Grenzen dieser Regeln auszuloten, um dennoch online bleiben zu können.

Beispiele für Auftreten von Gewalt

  • 15. August 2022: Behörden stürmten ein Hauskirchentreffen der ERCC in Chengdu, Provinz Sichuan, wobei Gemeindemitglieder körperliche Verletzungen erlitten.
  • 11. Februar 2022: Das Gericht des Stadtbezirks Echeng in Ezhou in der Provinz Hubei verurteilte Pastorin Hao Zhiwei wegen Betrugs zu acht Jahren Gefängnis, nachdem sie sich geweigert hatte, der TSPM beizutreten.
  • Dezember 2021: Chen Yu, Besitzer des „Wheat bookstore“ in Linhai in der Provinz Zhejiang, wurde wegen angeblicher „illegaler Geschäftstätigkeit“ aufgrund des Drucks und Verkaufs christlicher Bücher zu sieben Jahren Haft verurteilt. Sein Berufungsgesuch wurde abgelehnt.
  • 15. Dezember 2021: Behörden schlossen eine einer Kirche angegliederte Schule in Shunde in der Provinz Guangdong. Am 18. Dezember wurde außerdem eine Schule in der Nähe von Fuzhou in der Provinz Fujian geschlossen.

6. Entwicklung in den letzten 5 Jahren

Jahr

Platzierung

Punktzahl

2023

16

77

2022

17

76

2021

17

74

2020

23

70

2019

27

65

Der Anstieg um 1,1 Punkte im Weltverfolgungsindex 2023 – nach einem Anstieg in 2022 um 1,7 Punkte, in 2021 um mehr als vier Punkte, in 2020 um fünf und in 2019 um sieben Punkte – zeigt eine sich kontinuierlich verschlechternde Situation. Dies spiegelt wider, dass der starke Druck auf die Kirchen landesweit zu spüren ist. Der Wert für Gewalt blieb auf derselben Höhe wie im vergangenen Jahr; viele Kirchen waren weiterhin gezwungen, sich in kleineren Gruppen zu versammeln oder sich ausschließlich online zu treffen. Die Werte für den Druck stiegen in allen fünf Lebensbereichen leicht an. Dies ist auf die neuen Auflagen und Einschränkungen zur Nutzung der virtuellen Welt für religiöse Zwecke zurückzuführen.

7. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?

Frauen

Frauen leiten häufig Kirchen, insbesondere Hauskirchen, und sind daher dem Risiko der Inhaftierung genauso ausgesetzt wie Männer. Im Allgemeinen sind christliche Konvertitinnen mit muslimischem und buddhistischem Hintergrund dem größten Druck ausgesetzt. In einigen Fällen werden ihre Ehemänner unter Druck gesetzt, sich von ihnen scheiden zu lassen, weil sie als Verräterinnen an ihrer ethnischen Gruppe angesehen werden. Chinas (inzwischen aufgehobene) Ein-Kind-Politik ist dafür berüchtigt, dass sie ein Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern geschaffen hat. Die Folgen dieser Politik stehen in einer Wechselwirkung mit der Verwundbarkeit von christlichen Gemeinden und Christinnen in den Nachbarländern.

Männer

Obwohl sie einem ähnlichen Druck ausgesetzt sind wie Frauen, sind männliche Christen stärker davon bedroht, körperlich misshandelt zu werden. Männer, die Leitungsverantwortung in einer christlichen Gemeinde tragen, werden gezielt von der Regierung überwacht. Katholische Priester und profilierte Hauskirchenleiter werden von den Behörden festgenommen, mitunter auch gewaltsam – diesen Männern drohen körperliche Misshandlung oder sogar Prügel von Polizeibeamten. Viele Männer erleiden Traumata während der Haft. Diejenigen, die längere Zeit inhaftiert sind, sind nicht in der Lage, ihre Familien finanziell zu versorgen. Aufgrund dieses Drucks entscheiden sich manche Kirchen- und Gemeindeleiter für die Auswanderung.

8. Verfolgung anderer religiöser Gruppen

Ebenso wie Kirchen werden auch muslimische, buddhistische, taoistische, jüdische und andere Gotteshäuser geschlossen oder zerstört. Religiöse Minderheiten wie Muslime, Buddhisten und Anhänger von Falun Gong berichten über schwere soziale Diskriminierung in den Bereichen Beschäftigung, Wohnen und Wirtschaft. Muslime in Xinjiang leiden unter schweren Menschenrechtsverletzungen. Bis zu einer Million von ihnen werden in Umerziehungslagern festgehalten, die von der Regierung als „notwendig im Kampf gegen den radikalen Islam“ bezeichnet werden. Ein Bericht des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) hat diese Gräueltaten dokumentiert. Allerdings übte China Druck auf die Behörde des „Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte“ (OHCHR) und seine Mitarbeiter aus – der Bericht sollte nicht veröffentlicht werden, da er „die Politisierung und Blockkonfrontation im Bereich der Menschenrechte verstärken, die Glaubwürdigkeit des OHCHR untergraben und die Zusammenarbeit zwischen dem OHCHR und den Mitgliedstaaten beeinträchtigen“ würde. Einzelheiten über diese Lager werden auch in Berichten wie den China-Leaks enthüllt, und Satellitenbilder zeigen das Ausmaß der Lager. Tibetische Buddhisten werden von der Regierung stark unter Druck gesetzt, insbesondere durch das neue Gesetz zur ethnischen Einheit.

9. Gebetsanliegen

Bitte beten Sie für China:

  • Beten Sie, dass die Gemeinden in China trotz intensiver Überwachung gedeihen und noch mehr Menschen zu Jesus finden.
  • Bitten Sie dafür, dass die örtlichen Partner von Open Doors bedürftige Christen erreichen können, um ihnen christliche Literatur zu bringen sowie Schulung und Gemeinschaft zu ermöglichen.
  • Bitten Sie dafür, dass die Behörden in China trotz des immer stärkeren Drucks die Wichtigkeit der Religionsfreiheit anerkennen und es den Christen wieder erlauben, sich ohne Einschränkungen zu versammeln und Gottesdienst zu feiern.

China: Informieren und helfen

Meldungen

Aktuelle Meldungen zu China

Lesen Sie hier aktuelle Nachrichten und persönliche Berichte verfolgter Christen aus den Ländern des Weltverfolgungsindex, und abonnieren Sie unsere kostenlosen Formate.

Beten

Beten

Gebet ist das Erste, um das verfolgte Christen uns bitten und ist daher essenzieller Teil unseres Dienstes. Erfahren sie hier, wie sie konkret für verfolgte Christen beten können.

Spenden

Spenden

Ohne Ihren Einsatz wäre unser weltweiter Dienst nicht möglich. Ihre finanzielle Unterstützung macht einen Unterschied im Leben verfolgter Christen!