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Syrien


Christenverfolgung in Syrien
Berichtszeitraum: 1. Oktober 2021 – 30. September 2022
Überblick
Leiter traditioneller Kirchen sind in der Öffentlichkeit als kirchliche Amtsträger erkennbar und damit besonders gefährdet. Gerade in Gebieten, in denen islamistische Milizen aktiv sind, stehen diese Leiter in der Gefahr, entführt, angegriffen oder getötet zu werden. Ihre Kirchen wurden von (gewalttätigen) islamistischen Gruppen entweder zerstört oder in islamische Zentren umgewandelt. Auch evangelikale Gemeindeleiter sind gefährdet: Man betrachtet sie als westlich orientiert, sie sind bekannt dafür, offen das Evangelium zu verkündigen, und ihre Gemeinden gelten als zersplittert und haben nicht die Hilfe eines prominenten politisch vernetzten Leiters, wie etwa eines Papstes oder Bischofs. Während der ersten Jahre des Bürgerkriegs wurden Christen in Gebieten, die von der Regierung kontrolliert wurden, weniger überwacht. Seitdem die Behörden ihre Macht zurückgewinnen, hat die Kontrolle möglicher Dissidenten wieder zugenommen. Traditionelle Kirchen werden von der Regierung meist geduldet. Christen muslimischer oder drusischer Herkunft werden besonders von ihren Familien und ihrem sozialen Umfeld unter Druck gesetzt, da eine Konversion und der Abfall vom Islam große Schande über die Familie bringen. Dies gilt besonders in den Regionen, in denen Sunniten die Mehrheit ausmachen. Dort drohen Konvertiten die Verstoßung durch ihre Familien oder körperliche Angriffe. Seit der türkischen Invasion im Oktober 2019 haben türkische Streitkräfte die Angehörigen ethnischer und religiöser Minderheiten angegriffen, vergewaltigt, entführt und ermordet. Darunter waren sowohl Kurden als auch Christen und Jesiden. Zudem bringen sie sunnitische Binnenflüchtlinge aus anderen Teilen Syriens in den Norden, damit sie in den Häusern leben, die früher ethnischen Minderheiten gehörten, die nun geflohen sind. Die Folge ist ein demografischer Wandel. Religiöse Minderheiten in der nordwestlichen Region Idlib wurden aufgrund der anhaltenden brutalen Angriffe des Al-Qaida-Ablegers „Hayat Tahrir al-Scham“ (HTS) vertrieben. Im Osten Syriens ist der sogenannte „Islamische Staat“ (IS) verstärkt präsent und verübt fast täglich Anschläge.
Länderprofil als PDF
Das folgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus dem Country Dossier von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Das vollständige Dossier auf Englisch sowie das gekürzte Länderprofil auf Deutsch (beides als PDF) finden Sie hier zum Download.
1. Hintergrund
Syrien wird als autoritär regiertes Land eingestuft. Präsident Baschar al-Assad hat die Macht im Jahr 2000 von seinem Vater übernommen. Ab dem Jahr 2011 „islamisierte“ sich die syrische Opposition zunehmend und der Bürgerkrieg nahm bald die Form eines sunnitischen „Dschihad“ gegen die syrische Regierung an. Die Regierung griff zu militärischer Gewalt, die auf bewaffneten Widerstand stieß. Der Kampf zog ausländische dschihadistische Kämpfer an, darunter auch den IS, der im Juni 2014 sein Kalifat errichtete.
Nun wird der größte Teil des Landes wieder von der Regierung kontrolliert, mit Ausnahme des Gouvernements Idlib, des westlichen Teils des Gouvernements Aleppo, der nördlichen Region des Gouvernements Hama und des Nordostens. Diese Gebiete werden derzeit von türkischen Streitkräften, der „Internationalen Allianz gegen den Islamischen Staat“, islamistischen Gruppen oder kurdischen Behörden kontrolliert. Im Januar 2019 übernahmen dschihadistische Kämpfer die Kontrolle über Idlib. Der IS setzt seine Angriffe auf zivile Ziele im Nordosten fort. Etwa 160 christliche Familien wurden aufgrund des von der Türkei geführten Einmarsches in den Norden Syriens im Oktober 2019 vertrieben. Im März 2020 wurde zwischen Russland und der Türkei ein Waffenstillstand vereinbart. Dieser hielt den militärischen Vormarsch des Regimes auf die Stadt Idlib auf, wurde jedoch in den folgenden Monaten durch Angriffe von Dschihadisten wie auch der russischen Luftwaffe im Nordwesten belastet. Im Juli 2020 gewann Präsident Baschar al-Assad die Parlamentswahlen, trotz Protesten wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage. Auch die Präsidentschaftswahlen im Mai 2021 gewann al-Assad mit einer überwältigenden Mehrheit. Die Wahl wurde von der Opposition und internationalen Beobachtern als unrechtmäßig verurteilt.
Syrien ist zum größten Teil muslimisch geprägt. Die meisten Menschen (74 Prozent) gehören dem dem sunnitischen Islam an, 13 Prozent sind Alawiten, Ismailiten und Schiiten. Es gibt keine offizielle Staatsreligion, in der Verfassung ist jedoch festgelegt, dass der Präsident Muslim sein muss und dass die islamische Rechtslehre eine wesentliche Quelle für die Gesetzgebung sein soll. Christen genießen in den von der Regierung kontrollierten Gebieten einen recht guten Ruf. Zur Toleranz ihnen gegenüber trägt bei, dass man annimmt, Christen seien eher regierungsfreundlich gesinnt (was nicht zuletzt aus Angst vor den Alternativen zur jetzigen Regierung oft zutrifft). Gleichzeitig sind christliche Aktivitäten, die als Missionierung verstanden werden könnten, eingeschränkt. In den von der Opposition kontrollierten Gebieten werden Christen in ihren Rechten stark eingeschränkt. In den mehrheitlich kurdischen Gebieten im Norden leben Christen aus traditionellen Kirchen unter annehmbaren Bedingungen. In den Kurdengebieten der „Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien“ (auch als „Rojava“ bekannt) ist es Muslimen offiziell erlaubt, ihren Glauben zu wechseln und sich als Christen registrieren zu lassen. Diese Registrierung wird jedoch von der syrischen Regierung nicht anerkannt.
Christliche Kinder sind besonders gefährdet, da viele christliche Schulen geschlossen oder beschädigt wurden und die Kinder auf (islamische) öffentliche Schulen ausweichen mussten. Die Angst unter den Christen ist seit Jahren groß, vor allem wegen der Drohungen, Einschüchterungen und Entführungen durch islamisch-extremistische Gruppen wie die mit al-Qaida verbundene HTS, die „Ansar-Brigade“ und die „Faruq-Brigaden“. Vor allem im Nordosten hat eine Reihe von Faktoren (zusammen mit der türkischen Invasion in Nordsyrien) das Vertrauen der Christen in den Gebieten von Deir ez-Zor, al-Hasaka und Kamischli sowie in den überwiegend christlichen Dörfern an der Grenze zur Türkei erschüttert. Durch die Eskalation der türkischen Angriffe und die Möglichkeit einer groß angelegten Invasion in den Grenzgebieten fühlen sich die christlichen Gemeinschaften extrem bedroht, da die Gebiete von islamistischen Milizen und türkischen Behörden kontrolliert werden. Im Berichtszeitraum des Weltverfolgungsindex 2023 wurden im Westen und Nordosten des Landes Dutzende von Kirchen, Klöstern, christlichen Friedhöfen und anderen für die christliche Gemeinschaft wichtigen Gebäuden angegriffen, beschädigt oder geplündert – zumeist aufgrund des intensiven Beschusses durch türkische Streitkräfte und die von der Türkei unterstützte Opposition oder durch Kriminelle.
Weltanschauungen |
Anhänger |
% |
Christen |
603.000 |
3,1 |
Muslime |
18.390.000 |
95,0 |
Atheisten |
15.500 |
0,1 |
Agnostiker |
353.000 |
1,8 |
2. Gibt es regionale Unterschiede?
In den letzten Bastionen islamisch-extremistischer Gruppen im Gouvernement Idlib im Nordwesten und in al-Hasaka im Nordosten werden Christen besonders unter Druck gesetzt. Dort greift der IS immer noch Zivilisten an. Die türkische Armee und die von der Türkei unterstützten Oppositionskräfte, zu denen islamistische Milizen gehören, operieren offen im nördlichen Landesteil bis hinüber nach al-Hasaka und Kamischli.
3. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?
Islamische Unterdrückung
Islamische Unterdrückung ist die wichtigste Triebkraft der Verfolgung in Syrien und für die meisten Gräueltaten und Übergriffe gegen Christen verantwortlich. Militante Angehörige islamisch-extremistischer Gruppen wie der HTS und von „Dschaisch al-Islam“ sowie Mitglieder der von der Türkei unterstützten Oppositionsgruppen sind derzeit die Hauptverfolger dieser Triebkraft in Syrien. Sie operieren offen im Nordwesten Syriens und im nördlichen Teil des Landes, einschließlich al-Hasaka und Kamischli. Vor dem Bürgerkrieg wurde Christen in Syrien ein relativ hohes Maß an Religionsfreiheit zugestanden. Das änderte sich mit dem Auftreten der militanten islamisch-extremistischen Gruppierungen. Der IS errichtete sein Kalifat, das im Juni 2014 weite Teile Syriens und des Irak einschloss. Die meisten Christen flohen aus diesen Gebieten. Obwohl das Kalifat im März 2019 zerstört wurde, verübt der IS weiterhin ausgeklügelte Anschläge. Militante Islamisten kontrollieren derzeit Gebiete, in denen ungefähr 15 Prozent der Einwohner Syriens leben. Die türkischen Militäroperationen führten ab 2016 zur Besetzung von Gebieten in Nordsyrien und seit Oktober 2019 auch in der sogenannten „sicheren Zone“ entlang der syrisch-türkischen Grenze. Die Türkei benutzt arabische islamistische Kämpfer, um die kurdischen Gebiete zu kontrollieren. Islamische Unterdrückung ist jedoch auch in Gebieten präsent, die von der Regierung kontrolliert werden. Hier sind insbesondere christliche Konvertiten muslimischer Herkunft betroffen. Sie erfahren Verfolgung vonseiten ihrer Familie und ihres sozialen Umfelds. Ein gewisser Druck wird auch auf Christen traditioneller Kirchen ausgeübt. In christlichen Vierteln Aleppos erschienen während des Ramadan 2019 beispielsweise Poster, die Christinnen dazu aufforderten, sich zu verschleiern.
Diktatorische Paranoia
Diese Art von Druck und Verfolgung geht in erster Linie von bewaffneten Gruppen aus, die Teile Syriens kontrollieren, darunter die von der Türkei unterstützten Oppositionskräfte. Mit dieser Kontrolle verfolgt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan das Ziel, den vergangenen Ruhm des Osmanischen Reichs wiederherzustellen. Seit Oktober 2019 haben die von der Türkei unterstützten Kräfte in al-Hasaka mehrfach das Wasser für kurdische und christliche Minderheiten abgestellt, genauso wie für die umliegenden ländlichen Gebiete, in denen mehr als eine Million Menschen wohnen. Damit sollten sie zur Unterwerfung gezwungen werden. Militante islamische Gruppen haben viele Grundstücke von Christen in ihren Besitz gebracht. Auf Seiten der Regierung zeigt Präsident al-Assad zwar eine positive Haltung gegenüber Christen traditioneller Kirchen, doch sein Hauptziel ist der Erhalt der Sozialordnung und nicht der Schutz von Rechten religiöser Minderheiten; und so betrachtet die Regierung Christen und christliche Gruppen, die das Evangelium aktiv weitergeben, als eine Bedrohung des politischen Status quo und geht gegen diese vor. Berichten zufolge nehmen Überwachung und Verhöre durch die Behörden zu.
Unterdrückung durch den Clan oder Stamm
Die Stammeskultur in Syrien ist mit dem Islam vermischt, insbesondere in den nördlichen Kurdengebieten und den Wüstenregionen im Zentrum des Landes. Eine Hinwendung zum christlichen Glauben wird als Verrat gegenüber der Stammesgemeinschaft und als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen. Wenn Konvertiten entdeckt werden, reagieren die Familien und örtlichen Stammesführer mit großem Widerstand. Ein Scheich kann die Hinrichtung christlicher Konvertiten erlauben sowie genehmigen, dass Muslime die Grundstücke von Konvertiten und ihr Eigentum in Besitz nehmen und sogar ihre Frauen „übernehmen“.
Organisiertes Verbrechen und Korruption
Korruption und Bestechung sind weitverbreitet. Transparency International führt Syrien als das drittkorrupteste Land weltweit an. Dies geschieht vor dem Hintergrund von Straflosigkeit und Anarchie und beeinträchtigt den Zugang zu Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung. Christen stehen in dem Ruf, wohlhabend zu sein, und werden von kriminellen Netzwerken entführt, um Lösegeld zu erpressen. Besonders weitverbreitet sind das organisierte Verbrechen und die Korruption in den vom türkischen Militär und von islamischen militanten Gruppen besetzten Gebieten sowie in den drusisch und alawitisch dominierten Regionen. In Latakia, wo vor allem Alawiten leben, ist die Entführung junger Christen zu einem großen Problem geworden. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie haben zu einem drastischen Anstieg von Kriminalität und Korruption geführt.
Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Länderprofil.
4. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?
Christen aus traditionellen Kirchen
Hierbei handelt es sich zumeist um griechisch-orthodoxe und römisch-katholische Christen. Als größte christliche Gruppe im Land werden Mitglieder traditioneller Kirchen gezielt angegriffen. Sie leben im ganzen Land und damit auch in den Konfliktgebieten. Im Gouvernement Idlib, das von international agierenden dschihadistischen Gruppen kontrolliert wird, sind die wenigen übrig gebliebenen christlichen Familien aus traditionellen Kirchen mit Tod, Folter oder Überfällen bedroht und verstecken ihren Glauben daher. Die Angriffe der Türkei und der von ihnen unterstützten Truppen haben viele Christen im Nordwesten, Norden und Nordosten aus ihrem Zuhause vertrieben. Geistliche der traditionellen Kirchen sind leicht an ihrer Kleidung erkennbar, wodurch sie manchmal zu einem Angriffsziel werden. Der politische Ruf von Denominationen, Kirchengemeinden und lokalen Gemeindeleitern – ob man sie gegenüber Präsident al-Assad als positiv, negativ oder neutral eingestellt betrachtet – hat großen Einfluss auf das Maß der Unterdrückung, das sie von den Gruppen erfahren, die gegen al-Assad kämpfen.
Christen anderer religiöser Herkunft (Konvertiten)
Christen muslimischer oder drusischer Herkunft werden besonders von ihren Familien unter Druck gesetzt, da der Abfall von ihrer Religion große Schande über die Familie bringt. Dies gilt besonders in mehrheitlich von Sunniten bewohnten Regionen, wo christlichen Konvertiten die Verstoßung durch ihre Familien oder Schlimmeres droht. Besonders in den von Rebellen kontrollierten Gebieten ist die Intensität der Verfolgung von Christen muslimischer Herkunft durch die Familie und Gesellschaft gestiegen – eine Folge der wachsenden Radikalisierung des Islam dort. In den Kurdengebieten ist der von der Familie ausgehende Druck etwas weniger stark, da kurdische Sunniten in der Regel weniger fundamentalistisch eingestellt sind. Eine Ausnahme stellen dabei die kurdisch dominierten Wüstenregionen dar, in denen das Stammesdenken einen größeren Einfluss hat und der praktizierte Islam konservativer ausgerichtet ist.
Christen aus protestantischen Freikirchen
Baptisten, evangelikale Christen und Christen aus Pfingstgemeinden sind stark gefährdet, da sie für ihre westliche Ausrichtung bekannt sind. Ihre Gemeinden gelten als zersplittert, als ohne starke Führung und als ohne die Hilfe eines Fürsprechers im Ausland, wie etwa eines Papstes oder Bischofs, der ihr Anliegen öffentlich vorbringen könnte. Die meisten dieser protestantischen Freikirchen haben keine vollständige offizielle Anerkennung und keinen rechtlichen Status. Weil sie das Evangelium weitergeben, werden sie besonders zum Ziel militanter islamistischer Gruppen sowie auch der Regierung, die die Sozialordnung um jeden Preis erhalten will.
5. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?
Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt
Die Summe der Wertungen aller sechs Bereiche (die maximale Punktzahl beträgt jeweils 16,7) ergibt die Gesamtpunktzahl und somit die Platzierung auf dem Weltverfolgungsindex. Das Verfolgungsmuster zeigt das Ausmaß von Druck und Gewalt, welche durch das Zusammenwirken der Triebkräfte hervorgerufen werden.
Privatleben
In Gebieten, die von islamistischen Oppositionsgruppen kontrolliert werden, wie dem Gouvernement Idlib, ist es für Christen gefährlich, mit Nichtchristen über ihren Glauben zu sprechen, denn auf einen Glaubenswechsel weg vom Islam steht dort im Allgemeinen die Todesstrafe. In kurdisch kontrollierten Gebieten ist es Muslimen zwar gesetzlich erlaubt, ihren Glauben zu wechseln, doch werden sie vor allem von ihren Familien unter Druck gesetzt. In von der Regierung kontrollierten Gebieten ist es für Christen muslimischer Herkunft riskant, über den Glauben zu sprechen – es könnte als versuchte Evangelisation interpretiert werden, was gesetzlich verboten ist. Andere Christen können ihren Glauben schriftlich zum Ausdruck bringen, solange sie weder die Politik noch andere Glaubensrichtungen erwähnen. Muslimen ist es in diesen, von der Regierung kontrollierten, Gebieten gesetzlich verboten, einen anderen Glauben anzunehmen, der Glaubenswechsel wird jedoch nicht unter Strafe gestellt.
Familienleben
In Syrien gibt es keinen rechtlichen Rahmen für Ehen zwischen einer Christin muslimischer Herkunft und einem traditionellen oder freikirchlichen Christen. Ihre Ehe wäre illegal. Interreligiöse Ehen sind mit einem großen gesellschaftlichen Stigma behaftet. Die Folgen davon können Entfremdung, Diskriminierung und Verfolgung durch Familienmitglieder sein – bis hin zum Mord. Die Ehre eines muslimischen Mannes wird in den Augen der Gesellschaft beschmutzt, wenn seine Frau oder Tochter den christlichen Glauben annimmt. Sowohl Kultur als auch Religion erachten es für richtig, sie zu töten, doch Scheidung ist die häufigere Lösung. Lässt sich ein muslimischer Ehepartner von einem Christen scheiden, wird das Sorgerecht für gemeinsame Kinder in der Regel der muslimischen Partei zugesprochen. Manche christlichen Mütter konvertieren deshalb zum Islam, nur damit sie ihre Kinder behalten können. Die Kinder von christlichen Konvertiten gelten von Geburt an als Muslime, da ihre Eltern ihre Glaubenszugehörigkeit nicht offiziell ändern lassen können. Das autonome Gebiet Rojava stellt hier eine seltene Ausnahme dar: Dies ist die einzige Region in Syrien, in der es Muslimen erlaubt ist, ihre Religion legal zu wechseln und sich als Christen registrieren zu lassen. Diese Registrierung wird jedoch von der syrischen Regierung nicht anerkannt. Infolge des verstärkt erteilten islamischen Unterrichts in den von der Regierung kontrollierten Gebieten werden Kinder von Christen und insbesondere von Konvertiten diskriminiert und schikaniert.
Gesellschaftliches Leben
Christen werden in ganz Syrien überwacht, insbesondere in Gebieten, die von islamistischen Oppositionsgruppen kontrolliert werden. In den von der Regierung kontrollierten Gebieten werden christliche Konvertiten und protestantische Freikirchen besonders genau beobachtet und deren Predigten überprüft. Der Religionsunterricht wird in den Schulen je nach Konfessionszugehörigkeit erteilt. Christen muslimischer Herkunft gelten noch immer als Muslime, daher müssen ihre Kinder am Islamunterricht teilnehmen. Unter Umständen werden Christen auch an ihrer Arbeitsstelle diskriminiert. In Aleppo beherrschen sunnitische Muslime den Markt und stellen oft keine Christen ein.
Leben im Staat
In der syrischen Verfassung von 2012 ist festgelegt, dass der Präsident Muslim sein muss und dass die islamische Rechtslehre eine wesentliche Quelle für die Gesetzgebung sein soll. Damit ist die Grundlage für eine diskriminierende Behandlung von Nichtmuslimen gelegt. Die Verfassung schreibt den Schutz aller Religionen vor, solange sie „die öffentliche Ordnung nicht gefährden“. Außer in Rojava wird der Glaubenswechsel vom Islam zu einer anderen Religion nicht anerkannt.
In Gebieten, die von islamistischen Oppositionsgruppen besetzt werden, gilt die Scharia, was die Freiheiten aller religiösen Gruppen, die nicht sunnitisch sind, massiv einschränkt. In von der Regierung kontrollierten Gebieten müssen erwachsene Männer im Militär dienen. Andernfalls drohen ihnen Gefängnisstrafe oder Zwangseinberufung. Dieser Umstand veranlasst männliche Christen, aus Syrien zu fliehen, beziehungsweise lässt sie zögern, dorthin zurückzukehren.
Auch die religiöse Mehrheit, die sunnitischen Muslime, sind Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch die Regierung, da sie als Regierungsgegner wahrgenommen werden. Von denjenigen, die in staatlichem Gewahrsam starben, waren die meisten sunnitische Muslime. Dies geht aus dem Bericht zur internationalen Religionsfreiheit 2021 des US-Außenministeriums hervor.
Kirchliches Leben
Seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien werden Gottesdienste überwacht. Von Kirchen- und Gemeindeleitern wird erwartet, dass sie ihre Gemeindemitglieder dazu aufrufen, das Regime von al-Assad zu unterstützen. Schon vor dem Bürgerkrieg vermieden es christliche Leiter, über die Weitergabe des Evangeliums an Muslime zu sprechen oder sich respektlos über den Islam zu äußern. In den von islamistischen Gruppen beherrschten Gebieten sind die meisten Kirchengebäude entweder zerstört oder zu islamischen Zentren umfunktioniert worden. Die Aufnahme von Christen muslimischer Herkunft in offiziell anerkannte Kirchen wurde von der Regierung noch nie gern gesehen. Das wird damit begründet, dass dies zur Sektenbildung führen oder Konflikte zwischen unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften hervorrufen könnte. Viele Kirchen in den von islamistischen Gruppen kontrollierten Gebieten wurden entweiht, vor allem durch die Entfernung von Kreuzen.
Beispiele für Auftreten von Gewalt
- Im April 2022 erschossen bewaffnete Männer zwei christliche Zivilisten in Kharaba im Süden Syriens. Die Täter drangen in ihr Grundstück ein, und anscheinend wurden die beiden Christen getötet, als sie versuchten, ihren Besitz zu verteidigen.
- Ein weiterer Christ wurde bei einem Drohnenangriff während der Einweihung einer griechisch-orthodoxen Kirche in al-Suqailabiyya am 24. Juli 2022 getötet. Bei dem Angriff wurden weitere sechs Personen verletzt, die meisten leicht.
- Ende Mai 2022 wurde eine Kirche in dem assyrischen christlichen Dorf Tal Tawil in Nordsyrien durch einen Angriff türkischer Truppen schwer beschädigt. Bei türkischen Luftangriffen auf überwiegend christliche Dörfer in Nordsyrien wurden im Berichtszeitraum zahlreiche christliche Gebäude, Friedhöfe, Häuser in christlichem Besitz und anderes Eigentum schwer beschädigt. Viele Christen haben dieses Gebiet deshalb verlassen. Mindestens vier assyrische Dörfer wurden zwischen Oktober 2021 und September 2022 aufgrund von türkischen Bombardements vollständig geräumt.
6. Entwicklung in den letzten 5 Jahren
Jahr |
Platzierung |
Punktzahl |
2023 |
12 |
80 |
2022 |
15 |
78 |
2021 |
12 |
81 |
2020 |
11 |
82 |
2019 |
11 |
82 |
Die Wertung für Syrien stieg um zwei Punkte von 78 auf 80 Punkte. Der Hauptgrund für diesen Anstieg ist vor allem eine höhere Zahl an Berichten über Gewalt gegen Christen. So starben wie oben erwähnt während des Berichtszeitraums drei Christen aufgrund ihres Glaubens, mehrere Kirchen und christliche Gebäude wurden bei Angriffen durch von der Türkei unterstützte Kräfte beschädigt und mindestens fünf Christen wurden entführt.
7. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?
Frauen
Vor dem Hintergrund der anhaltenden Instabilität und der Einschränkung der Religionsfreiheit sind Frauen gefährdet, die religiösen Minderheiten angehören, darunter auch Christinnen. Ihnen drohen Entführung, sexuelle Belästigung und Vergewaltigung. Die Zahl der Fälle ist drastisch zurückgegangen, seitdem der IS Gebiete in Syrien verloren hat, doch dies kann dennoch weiterhin sowohl in den von der Regierung kontrollierten als auch in den von den Rebellen gehaltenen Gebieten geschehen. Vergewaltigung wird genutzt, um christliche Familien zu beschämen und das Umfeld zu destabilisieren. Christliche Konvertitinnen erleben auch gewalttätige Übergriffe vonseiten ihrer eigenen Familien. Sie können häuslicher Gewalt oder einer Zwangsheirat mit einem Muslim ausgesetzt sein oder sogar getötet werden, um die Ehre der Familie wiederherzustellen.
Männer
Junge einheimische Christen befürchten, zur syrischen Armee oder zu anderen militärischen Gruppierungen zwangsrekrutiert zu werden. Einige verweigern den Militärdienst aus Gewissensgründen, was sie dazu veranlassen kann, eine Auswanderung in Betracht zu ziehen. Arbeitslose Christen haben große Schwierigkeiten, einen Arbeitsplatz zu finden; und diejenigen, die einen Arbeitsplatz haben, haben kaum Chancen auf eine Beförderung. Da Männer in der Regel die Hauptverdiener sind, ist dadurch die gesamte Familie gefährdet. Christliche Konvertiten sind zusätzlichem Druck ausgesetzt; es kann passieren, dass sie von ihrer Familie bedroht oder geschlagen werden oder dass ihnen das Erbe verweigert wird. Männliche Konvertiten mit muslimischem Hintergrund stehen zudem unter starkem Druck, eine muslimische Frau zu heiraten.
8. Verfolgung anderer religiöser Gruppen
Viele andere religiöse Minderheiten sind in unterschiedlichem Ausmaß ebenfalls der Verfolgung ausgesetzt, darunter Schiiten, Alawiten, Drusen, Juden, Jesiden und Zoroastrier. Schiitische, alawitische und drusische Gemeinschaften werden von sunnitischen Dschihadisten nicht nur deswegen verfolgt, weil ihr Glaube als ketzerisch angesehen wird, sondern im Fall der Alawiten auch, weil ihnen Verbindungen zu Präsident al-Assad vorgeworfen werden. Jesiden und Zoroastrier sind zwei von Syriens Regierung nicht anerkannte kurdische Religionsgemeinschaften. Ihre Kinder werden als Sunniten registriert – in der Schule müssen sie am Islamunterricht teilnehmen.
9. Gebetsanliegen
Bitte beten Sie für Syrien:
- Beten Sie für Christen in Syrien, insbesondere für Gemeindeleiter und Christen mit muslimischem Hintergrund. Bitten Sie, dass Jesus sie vor Gewalt schützt und ihnen im Vertrauen auf ihn Hoffnung und Zuversicht gibt.
- Beten Sie, dass Gott nach mehr als zehn Jahren Krieg und Zerstörung Frieden ins Land bringt und die Herzen der Mächtigen erweicht, damit sie für die Schwächsten der syrischen Gesellschaft sorgen.
- Beten Sie dafür, dass die syrischen Christen zu ihren Häusern, Familien, Gemeinden und ihrer Lebensgrundlage zurückkehren können, und dass Gott das Leben derjenigen wiederherstellt, die bereits zurückgekehrt sind.
- Beten Sie für die Christen, dass sie ein Licht der Hoffnung in Syrien sind und denen Trost und Hilfe bringen, die unter einem Trauma oder dem Mangel an Nahrung und anderen lebensnotwendigen Dingen leiden.