Weltverfolgungsindex 2023

Kamerun

Christenverfolgung in Kamerun

Berichtszeitraum: 1. Oktober 2021 – 30. September 2022

Überblick

Obwohl die Bevölkerung Kameruns zu über 60 Prozent aus Christen besteht, wird der Übertritt vom Islam zum christlichen Glauben in den mehrheitlich muslimischen Gebieten massiv behindert, da sich deren Bewohner zunehmend radikalisieren. In solchen Gebieten können Christen muslimischer Herkunft nicht einmal mit Familienangehörigen über ihren neuen Glauben sprechen. Christliche Konvertitinnen werden oft mit einem Nichtchristen zwangsverheiratet. Christliche Frauen stehen in der Gefahr, von Boko Haram entführt zu werden. Die sogenannte „Anglophone Krise“, ein Konflikt in den englischsprachigen Regionen des Landes, hat der Situation der Christen in Kamerun eine weitere Dimension verliehen. Infolge der seit Jahren andauernden Krise ist das Betätigungsfeld der Kirche stark eingeschränkt. Seitdem die Regierung die englischsprachigen Separatisten bekämpft, hat sich die Sicherheit im Norden des Landes, wo Boko Haram aktiv ist, verschlechtert. Darüber hinaus übt die Regierung immensen Druck auf Christen aus, die sich gegen Ungerechtigkeit oder mangelnde Religionsfreiheit im Land aussprechen.

Länderprofil als PDF

Das folgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus dem Country Dossier von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Das vollständige Dossier auf Englisch sowie das gekürzte Länderprofil auf Deutsch (beides als PDF) finden Sie hier zum Download.

Country Dossier als PDF

Länderprofil als PDF

1. Hintergrund

Kamerun wird seit 1982 von Präsident Paul Biya regiert. Journalisten und Oppositionelle laufen Gefahr, schikaniert und inhaftiert zu werden, zudem ist Korruption an der Tagesordnung. Das Land umfasst sowohl französischsprachige als auch englischsprachige Regionen. Die englischsprachigen Regionen (Nord-Ouest und Sud-Ouest) befinden sich seit 2016 im Bürgerkrieg. Dieser nahm seinen Anfang mit Protesten englischsprachiger Anwälte und Lehrer, die sich in der Zentralregierung nur mangelhaft vertreten sahen. Die Regierung antwortete mit Gewalt, unter anderem mit Folter, willkürlichen Verhaftungen und Ermordungen. Dies führte zur Bildung nicht staatlicher bewaffneter Gruppen, heizte separatistische Bestrebungen an und führte zur Vertreibung einer halben Million Menschen aus ihrer Heimat. Die Kämpfe zwischen den Sicherheitskräften der Regierung und militanten Separatisten dauern an. Zudem treibt die islamisch-extremistische Gruppe Boko Haram im Norden des Landes ihr Unwesen.

Christen werden sowohl von den Regierungstruppen als auch von den Separatisten angegriffen, wenn sie nicht für eine Seite Partei ergreifen. Boko Haram nutzt Schwachstellen im Sicherheitsnetz aus und greift Christen an, da sich die Regierung auf die Bekämpfung der Separatisten konzentriert. Christliche Frauen und Mädchen stehen in der Gefahr, entführt zu werden. Sie werden dann mit einem der Kämpfer zwangsverheiratet und gezwungen, zum Islam überzutreten. Auch christliche Männer und Jungen, insbesondere Kirchenleiter, können entführt werden. Sie werden gezwungen, sich den Kämpfern anzuschließen, oder können von ihnen zur Zwangsarbeit eingesetzt, gefoltert und getötet werden.

Weltanschauungen

Anhänger

%

Christen

17.032.000

61,0

Muslime

6.608.000

20,1

Anhänger ethnischer Religionen

4.964.000

17,8

Agnostiker

166.000

0,6

2. Gibt es regionale Unterschiede?

Übergriffe auf Christen gibt es vor allem in Gebieten, in denen Gewalt herrscht: In der Region Extrême-Nord, wo Boko Haram weiterhin Angriffe verübt, und in den Regionen Nord-Ouest und Sud-Ouest, wo die anglophone Widerstandsbewegung wächst. Die muslimische Bevölkerung lebt vor allem im Norden; christliche Bevölkerungsgruppen sind in den südlichen und westlichen Regionen angesiedelt. Außerdem übt die Regierung Druck aus auf einige christliche Denominationen, die ihre Politik nicht offen unterstützen. Dies ist vor allem in Großstädten der Fall.

3. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?

Islamische Unterdrückung

In der nördlichen Region Adamaoua und in einigen östlichen Regionen sind vor allem christliche Konvertiten von islamischer Unterdrückung betroffen. Christliche Konvertiten erleben Menschenrechtsverletzungen von ihrer Familie und ihrem sozialen Umfeld und werden zur Rückkehr zum Islam gedrängt. Militante Gruppen wie Boko Haram stellen eine ständige Bedrohung für Leben und Sicherheit dar. Sie sind für die Vertreibung vieler Christen verantwortlich, was dazu geführt hat, dass das friedliche Verhältnis zwischen Christen und Muslimen im heutigen Kamerun anfängt zu bröckeln.

Diktatorische Paranoia

Das Regime von Präsident Paul Biya ist für politische Verhaftungen und Morde an Christen verantwortlich, von denen viele nicht mit seiner Herrschaft einverstanden sind. Dies ist vor allem in den englischsprachigen Regionen der Fall, da dort die Unabhängigkeitsbewegung aktiv ist.

Organisiertes Verbrechen und Korruption

Kamerun ist eines der korruptesten Länder der Welt. Im Norden können korrupte Amtsträger bestochen werden, sodass Christen den Angriffen von extremistisch-islamischen Gruppen schutzlos ausgeliefert sind.

Unterdrückung durch den Clan oder Stamm

Ein großer Teil der Bevölkerung hält an traditionellen Glaubenssystemen fest. In Gebieten, wo sich Christen solchen Praktiken widersetzen, müssen sie damit rechnen, dass ihre Rechte beschnitten werden.

Konfessioneller Protektionismus

Die traditionellen Konfessionen sind auf die Aktivitäten neuer christlicher Gruppen nicht gut zu sprechen. Im Jahr 2018 beispielsweise riefen die evangelischen, baptistischen und katholischen Kirchen des Landes die Regierung dazu auf, eine Reihe von Pfingstkirchen zu schließen.

Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Länderprofil.

4. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?

Christen aus traditionellen Kirchen

Römisch-katholische Christen (die über 44 Prozent der christlichen Bevölkerung ausmachen) und einige protestantische Konfessionen werden von der Regierung in ihrer Autonomie beschnitten. Sie werden auch gelegentlich Opfer der Gewalt von Boko Haram.

Christen anderer religiöser Herkunft (Konvertiten)

Christen muslimischer Herkunft erfahren in den mehrheitlich muslimischen Regionen den stärksten Druck und die meiste Gewalt von ihrer Familie und ihrem sozialen Umfeld. Diese Christen werden nicht nur von ihren Familien dazu gedrängt, zum Islam zurückzukehren, sie sind auch durch die Gruppe Boko Haram bedroht, deren Kämpfer sie töten wollen. Viele Christen muslimischer Herkunft ziehen daher in andere Teile des Landes um, die ihnen mehr Sicherheit bieten. Christen mit Hintergrund in einer ethnischen Religion sind ebenfalls dem Druck ihres sozialen Umfelds ausgesetzt, wenn auch weniger stark.

Christen aus protestantischen Freikirchen

Im Norden Kameruns stoßen Baptisten und Pfingstgemeinden auf Widerstand, wenn sie das Evangelium weitergeben oder versuchen, Christen muslimischer Herkunft in ihre Gemeinden zu integrieren. Einigen Kirchen wurde mit Schließung gedroht, weil sie die Regierung kritisierten. Andere Gemeinden haben sich auf die Seite der Regierung gestellt und im Wahlkampf für die Regierungspartei geworben und Gelder mobilisiert.

5. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?

Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt

Privatleben 8.8
Familienleben 7.6
Gesellschaftliches Leben 12.6
Leben im Staat 7.2
Kirchliches Leben 13.1
Auftreten von Gewalt 15.9

Die Summe der Wertungen aller sechs Bereiche (die maximale Punktzahl beträgt jeweils 16,7) ergibt die Gesamtpunktzahl und somit die Platzierung auf dem Weltverfolgungsindex. Das Verfolgungsmuster zeigt das Ausmaß von Druck und Gewalt, welche durch das Zusammenwirken der Triebkräfte hervorgerufen werden.

Privatleben

Christen muslimischer Herkunft müssen ihren neuen Glauben oft verheimlichen. Sich zu versammeln, ist für sie sehr riskant, ebenso wie der Besitz einer Bibel oder christlicher Literatur.

Familienleben

Im Falle einer Scheidung haben Christen muslimischer Herkunft keinen Anspruch auf das Sorgerecht für ihre Kinder, wenn ihr ehemaliger Ehepartner Muslim ist. Davon sind vor allem die Frauen im Norden des Landes betroffen. Durch den Glaubenswechsel zum christlichen Glauben kann auch das Recht auf das Erbe verloren gehen. In mehreren Fällen mussten sich verheiratete Konvertitinnen zwischen ihrem Ehemann und ihrem Glauben entscheiden, sodass es zu Zwangsscheidungen kam.

Gesellschaftliches Leben

Christen muslimischer Herkunft werden in abgelegenen Gebieten im Norden des Landes von ihrem sozialen Umfeld schikaniert und bedroht. Sie werden sowohl im Bildungswesen als auch im Beruf diskriminiert und stehen unter strenger Beobachtung durch den staatlichen Geheimdienst, was dazu führt, dass sie sich selbst zensieren.

Leben im Staat

Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist eingeschränkt, da die Regierung empfindlich auf vermeintliche oder tatsächliche Kritik reagiert. In so einem Fall kann es passieren, dass sie das Internet sperrt oder Betroffene verhaften lässt. Vor allem im Norden gehen die Sicherheitskräfte und die Streitkräfte straffrei aus, wenn sie willkürlich Zivilisten verhaften, foltern oder töten.

Kirchliches Leben

Zusammenstöße zwischen den Regierungstruppen und Separatisten haben christliche Aktivitäten in den englischsprachigen Provinzen unterbrochen. Für neue Kirchen ist es schwierig, sich bei der Regierung registrieren zu lassen. So arbeiten viele von ihnen ohne Registrierung. Das wird zwar selten geahndet, die fehlende Registrierung kann jedoch als Druckmittel eingesetzt werden, um einer Kirche mit der Schließung zu drohen, wenn die Regierung der Ansicht ist, dass die betroffene Kirche sie politisch nicht unterstützt hat.

Beispiele für Auftreten von Gewalt

  • Am 24. Juni 2022 töteten Boko-Haram-Kämpfer vermutlich einen Zivilisten in Bargaram bei Hile-Alifa im Bezirk Logone-et-Chari in Extrême-Nord. Sie brannten auch eine Kirche nieder und stahlen mehrere wertvolle Gegenstände.
  • Am 15. Juli 2022 griffen Boko-Haram-Kämpfer Koza im Bezirk Mayo-Tsanaga in Extrême-Nord an und töteten vier Menschen. Gebäude, darunter eine Kirche und einige Geschäfte, wurden geplündert und zerstört.

6. Entwicklung in den letzten 5 Jahren

Jahr

Platzierung

Punktzahl

2023

45

65

2022

44

65

2021

42

64

2020

48

60

2019

56

54

Kamerun erreicht die gleiche Punktzahl wie im letzten Berichtszeitraum. Gewalt und Druck sind nach wie vor sehr hoch. Durch den Konflikt in den englischsprachigen Regionen, die Aktivitäten von Boko Haram im Norden des Landes und generell durch die diktatorische Paranoia ist das kirchliche Leben für Christen sehr eingeschränkt. Christen sind Opfer von Einschüchterungen und Angriffen, wenn sie sich gegen die Grausamkeiten im Land aussprechen, die sowohl von der Regierung als auch von separatistischen Kräften verübt werden. Zeitweise wurden Kirchengelände als Militärstützpunkte genutzt. Die Regierung hat sich auch geweigert, einigen Christen zu genehmigen, im Land zu arbeiten. Traditionelle Konfessionen verfolgen andere christliche Gruppen, wenn die wachsende Zahl von Christen aus protestantischen Freikirchen als Bedrohung angesehen wird. Aufgrund der weit verbreiteten Korruption im Land sind Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit in vielen Bereichen praktisch nicht mehr gegeben. Die Covid-19-Pandemie hat die Verfolgung noch verstärkt und die Position der Betroffenen zusätzlich geschwächt.

7. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?

Frauen

Auch wenn es sich bei Kamerun um ein säkulares Land handelt, hat die Region Extrême-Nord unter der Gewalt von Boko Haram zu leiden. Frauen und Mädchen werden regelmäßig verschleppt, zwangsverheiratet, vergewaltigt und zur Zwangsarbeit gezwungen. Sie werden unter extremen Druck gesetzt, ihrem christlichen Glauben abzuschwören, und einige Mädchen werden zu Selbstmordattentaten gezwungen. Christliche Konvertitinnen aus traditionellen afrikanischen Religionen oder mit muslimischer Herkunft werden von ihren Familien und dem sozialen Umfeld unter Druck gesetzt. Oft sind sie von ihren Ehemännern oder Vätern abhängig und werden unter Hausarrest gestellt oder mit einem Nichtchristen zwangsverheiratet. Verheirateten christlichen Konvertitinnen droht die Scheidung, der Verlust des Sorgerechts für ihre Kinder und der Verlust des Erbes.

Männer

In den nördlichen Regionen stellt Boko Haram eine große Bedrohung für christliche Männer und Jungen dar, insbesondere für Gemeindeleiter. Männer werden entführt, zur Zwangsarbeit eingesetzt, gefoltert und von den Milizen zwangsrekrutiert. Der Konflikt in den englischsprachigen Regionen hat ebenfalls zur Instabilität beigetragen und viele Menschen, darunter auch Christen, in die Flucht getrieben. Christen werden auch bei der Vergabe von Arbeitsplätzen diskriminiert, ihre Geschäfte werden boykottiert, und sie werden von Regierungsbeamten schikaniert, wenn sie sich gegen Korruption aussprechen. Christliche Familien werden dadurch in wirtschaftlicher, finanzieller und psychischer Hinsicht in Mitleidenschaft gezogen. Männer, die anfangen, Jesus Christus nachzufolgen, werden von ihren Familien und ihrem sozialen Umfeld unter Druck gesetzt. Häufig werden sie verstoßen und ihnen wird das Erbe verweigert.

8. Verfolgung anderer religiöser Gruppen

Alle religiösen Gruppen, die die Regierung nicht offen unterstützen, müssen mit Verstößen gegen ihre Rechte rechnen. In Gebieten, in denen Christen in der Mehrheit sind, werden Muslime ausgegrenzt, weil die Menschen sie als mögliche Sympathisanten von Boko Haram ansehen.

9. Gebetsanliegen

Bitte beten Sie für Kamerun:

  • Beten Sie, dass Kameruns Regierung konkrete Maßnahmen ergreift, um gefährdete Gemeinschaften im Land zu schützen.
  • Beten Sie, dass Gemeindeleiter in der nördlichen Region Kameruns Gottes Weisheit und Kraft bekommen für ihren Dienst an den Verfolgten, Vertriebenen und Traumatisierten.
  • Bitten Sie um Weisheit und gutes Entscheidungsvermögen für die lokalen Partner von Open Doors bei der Recherche und Umsetzung von Wegen, wie sie der verfolgten Gemeinde dienen können.

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