Laden Sie als Gemeinde einen unserer Referenten ein und hören Sie bewegende Berichte und informative Vorträge über verfolgte Christen.
Libyen


Christenverfolgung in Libyen
Berichtszeitraum: 1. Oktober 2021 – 30. September 2022
Überblick
Seit dem Sturz von Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 herrscht in Libyen Bürgerkrieg. Verschiedene Stammesgruppen und islamisch-extremistischen Gruppen, die von verschiedenen ausländischen Staaten unterstützt werden, kämpfen um (Öl-)Reichtum und Macht. Die von den Vereinten Nationen unterstützte „Regierung der nationalen Einheit“ – der jüngste Versuch, eine Zentralregierung wiederherzustellen – hat versucht, Wahlen zu organisieren, jedoch ohne Erfolg. Seit März 2022 haben sowohl die westliche als auch die östliche Region des Landes ihren eigenen Premierminister, was zu Spannungen und regelmäßig zu Gewalt führt.
Auf libysche Christen muslimischer Herkunft wird seitens ihrer Familie und des sozialen Umfeldes intensiver Druck ausgeübt, ihrem neuen Glauben abzuschwören. Ausländer aus anderen Teilen des afrikanischen Kontinents stehen im Visier verschiedener militanter islamischer Gruppen und organisierter krimineller Gruppen. Diese Gruppen entführen Christen und in manchen Fällen kam es sogar vor, dass Christen brutal getötet wurden. Selbst, wenn sie nicht dieses Schicksal erleiden, werden Christen aus den afrikanischen Ländern südlich der Sahara von extremistischen Muslimen belästigt und bedroht. Wer seinen christlichen Glauben öffentlich zum Ausdruck bringt und versucht, mit anderen darüber zu sprechen, erfährt heftigen und mitunter gewaltsamen Widerstand und muss mit Verhaftung rechnen. Das Fehlen einer Zentralregierung, die Recht und Ordnung im Land durchsetzt, hat zu einer gefährlichen Lage für Christen geführt, und das Ausmaß der Gewalt gegen Christen in Libyen hat im Weltverfolgungsindex inzwischen die Kategorie „extrem“ erreicht.
Länderprofil als PDF
Das folgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus dem Country Dossier von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Das vollständige Dossier auf Englisch sowie das gekürzte Länderprofil auf Deutsch (beides als PDF) finden Sie hier zum Download.
1. Hintergrund
Das Leben in Libyen wird seit dem Sturz von Diktator al-Gaddafi 2011 vom Bürgerkrieg bestimmt. Die von den Vereinten Nationen anerkannte und größtenteils von islamistischen Gruppen unterstützte Regierung im Westen des Landes rund um die Hauptstadt Tripolis befindet sich im Konflikt mit einer rivalisierenden Regierung im Osten des Landes, die von Feldmarschall Chalifa Haftar und seinen Truppen unterstützt wird. Beide Fraktionen werden von ausländischen Geldgebern unterstützt, die nach Einfluss streben und der Kampf um Libyen ist zu einem Kräftemessen zwischen zwei sich gegenüberstehenden Blöcken geworden, die den sunnitischen Nahen Osten spalten: Auf der einen Seite steht die Achse Türkei/Katar, die den politischen Islam (Islamismus) unterstützt. Auf der anderen Seite steht die Achse Vereinigte Arabische Emirate/Saudi-Arabien/Ägypten, die im politischen Islam eine existenzielle Bedrohung für ihre Herrschaft sieht und daher dessen Gegner unterstützt.
Praktisch alle Muslime in Libyen gehören dem sunnitischen Islam an. Es gibt auch einige Ibadi-Muslime, die zur ethnischen Minderheit der Amazigh (Berber) gehören. Unter den Migranten aus Ägypten und Subsahara-Afrika gibt es eine erhebliche Anzahl von Christen. Fast alle Nichtmuslime sind Ausländer; die Zahl der libyschen Christen muslimischer Herkunft ist nach wie vor sehr gering. Die verfassungsrechtliche Übergangserklärung von 2011 und der Verfassungsentwurf von 2017 erklären den Islam zur Staatsreligion und die Scharia zur Hauptquelle der Gesetzgebung. Das Risiko körperlicher Übergriffe, einschließlich Entführungen, Folter, rechtswidriger Tötung sowie sexueller Übergriffe und Vergewaltigungen, ist für Christen hoch. Dafür verantwortlich sind gewalttätige bewaffnete Gruppen, die ihre eigene Auslegung des Islam verfolgen. Christliche Migranten und Flüchtlinge in Libyen werden außerdem von ihren Arbeitgebern oder Mitgefangenen in den Haftanstalten sowie von kriminellen Gruppen diskriminiert.
Weltanschauungen |
Anhänger |
% |
Christen |
35.400 |
0,5 |
Muslime |
6.970.000 |
99,0 |
Hindus |
6.500 |
0,1 |
Buddhisten |
19.300 |
0,3 |
2. Gibt es regionale Unterschiede?
Christen sind überall im Land gefährdet, aber besonders in Gebieten, in denen islamisch-extremistische Gruppen aktiv sind. Dies gilt insbesondere für die Region um Sirte, die dafür berüchtigt ist, dass es dort islamisch-extremistische Gruppen gibt, einschließlich Gruppierungen des sogenannten „Islamischen Staats“ (IS). Im Osten sind islamisch-extremistische Gruppen sowohl in ländlichen als auch in städtischen Gebieten wie Bengasi präsent.
3. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?
Islamische Unterdrückung
Der Islam ist tief in der libyschen Kultur verwurzelt. Deshalb erleben Muslime, die sich dem christlichen Glauben zuwenden, immensen Druck seitens ihrer Familien und der Gesellschaft. Nach dem Sturz al-Gaddafis haben verschiedenste islamisch-extremistische Gruppen an Einfluss und Kontrolle in der Gesellschaft gewonnen. Auf lokaler Ebene sind Imame und Scheichs dafür bekannt, zum Hass gegen Christen anzustiften, besonders gegen Migranten und Konvertiten. Auf nationaler Ebene üben zur islamistischen Strömung des Madchalismus gehörende Gelehrte ihren Einfluss über Satellitenfernsehen und über das Internet aus. Die Scharia wird im ganzen Land angewendet. Diese Faktoren haben zusammengenommen zu einem starken Anstieg der Gewalt gegen Christen im letzten Jahrzehnt geführt.
Unterdrückung durch den Clan oder Stamm
Die Gesellschaft Libyens ist konservativ und von Stammesdenken geprägt. Den Islam zu verlassen und den christlichen Glauben anzunehmen, wird nicht nur als Verrat am Islam, sondern auch an der Familie und dem Stamm betrachtet. Zudem werden aus ethnischen und rassistischen Gründen Migranten aus Ländern südlich der Sahara besonders heftig diskriminiert.
Organisiertes Verbrechen und Korruption
Korruption ist weit verbreitet und wird durch mangelnde Rechtsstaatlichkeit und durch Straffreiheit noch verschärft. Diese Triebkraft ist eng verknüpft mit islamischer Unterdrückung, da einige der militanten islamischen Gruppierungen mit dem organisierten Verbrechen zusammenarbeiten oder selbst als organisierte kriminelle Gruppen auftreten und Menschenhandel sowie anderen kriminellen Aktivitäten nachgehen. Diese Gruppen sind bekannt für Vergewaltigungen, Geiselnahmen und Sklavenhandel.
Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Länderprofil.
4. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?
Ausländische Christen und Arbeitsmigranten
Christliche Gastarbeiter (die zumeist aus Subsahara-Afrika und Ägypten stammen) dürfen sich in den wenigen Kirchen treffen, die es im Westen des Landes noch gibt. Viele bleiben jedoch aus Angst den Gottesdiensten fern. Libysche Bürger dürfen diese Kirchen jedoch unter keinen Umständen besuchen. Einige ausländische Christen genießen eine gewisse Freiheit, sind aber ständig der Bedrohung durch Entführung und andere Formen des Missbrauchs ausgesetzt. Christen aus Afrika südlich der Sahara erleiden in doppelter Hinsicht Verfolgung und Diskriminierung: aus rassistischen ebenso wie aus religiösen Gründen. Christliche Migranten, die auf ihrem Weg nach Europa durch Libyen kommen, sind Formen schweren Missbrauchs ausgesetzt.
Christen anderer religiöser Herkunft (Konvertiten)
Einheimische, libysche Christen sind ausschließlich Konvertiten mit muslimischem Hintergrund. Diese sehr kleine Gruppe hält ihren Glauben geheim. Sie dürfen keine Gottesdienste in offiziellen Kirchen besuchen. Ihre Anzahl ist zwar gering, doch mit dem Aufkommen christlicher Fernseh- und Internetangebote auf Arabisch wächst das Interesse am christlichen Glauben.
5. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?
Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt
Die Summe der Wertungen aller sechs Bereiche (die maximale Punktzahl beträgt jeweils 16,7) ergibt die Gesamtpunktzahl und somit die Platzierung auf dem Weltverfolgungsindex. Das Verfolgungsmuster zeigt das Ausmaß von Druck und Gewalt, welche durch das Zusammenwirken der Triebkräfte hervorgerufen werden.
Privatleben
Aufgrund der Gefahr durch Verwandte, die Gesellschaft und extremistische islamische Gruppen trauen Christen in Libyen es sich kaum, mit anderen über ihren Glauben zu sprechen. Die Verbreitung des Evangeliums ist zwar nicht ausdrücklich verboten, wohl aber „Anstiftung zur Spaltung“ und „Beleidigung des Islam“. Mit einem Muslim über den christlichen Glauben zu sprechen, könnte als Akt der Evangelisation interpretiert werden.
Familienleben
Der Religionsunterricht basiert auf islamischen Grundsätzen. Fast alle ausländischen Christen aus dem Westen haben das Land verlassen. Die Hauptgruppe der verbleibenden Christen sind Migranten aus den afrikanischen Ländern südlich der Sahara und einige koptische Christen aus Ägypten. Ihre Kinder müssen, wenn sie zur Schule gehen, den Islamunterricht besuchen und sind gefährdet, Opfer von Belästigungen zu werden.
Gesellschaftliches Leben
Die Mehrheit der Libyer ist arabischer oder berberischer Abstammung. Viele Christen sind Auswanderer aus Ländern südlich der Sahara, die bessere wirtschaftliche Möglichkeiten suchen. Sie werden sowohl aus religiösen als auch aus rassistischen Gründen diskriminiert.
Leben im Staat
Wer christliche Konvertiten muslimischer Herkunft verletzt oder sogar tötet, kann mit Straffreiheit rechnen. Wenn dies durch Familienmitglieder geschieht, wird die Angelegenheit als eine Sache der Familienehre betrachtet. Andere Christen können durch extremistische Gruppen sowie durch Regierungsbeamte ebenfalls mit Straffreiheit getötet werden – dabei sind Christen aus Subsahara-Afrika besonders gefährdet. Ausländische Christen müssen sich davor hüten, die Regierung in irgendeiner Weise zu kritisieren und dadurch zu provozieren. Selbst die wenigen registrierten Kirchen achten darauf, dass am Gebäude keine religiösen Symbole angebracht sind. Eine öffentliche Zurschaustellung christlicher Symbole würde als indirekte Form der Evangelisation verstanden werden. Dies könnte schwerwiegende Strafen durch die Behörden nach sich ziehen – oder sogar öffentliche Lynchjustiz.
Kirchliches Leben
Je nach Region können sich Migranten in Kirchen versammeln, was jedoch mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden ist. Die Einfuhr von christlicher Literatur und Bibeln in arabischer Sprache ist nach wie vor streng verboten.
Beispiele für Auftreten von Gewalt
Während des Berichtszeitraums zum Weltverfolgungsindex 2023 wurden
- mehrere Kirchengebäude und andere christliche Versammlungshäuser, die meist von Christen aus Subsahara-Afrika genutzt wurden, angegriffen und zerstört oder beschädigt.
- mehrere Christen aus Subsahara-Afrika entführt und es wurde Lösegeld gefordert.
- mehrere in libyschen Haftanstalten festgehaltene christliche Migranten (meist aus afrikanischen Ländern südlich der Sahara) Berichten zufolge vergewaltigt und geschlagen.
- ein christlicher Konvertit mit muslimischem Hintergrund zum Tode verurteilt.
6. Entwicklung in den letzten 5 Jahren
Jahr |
Platzierung |
Punktzahl |
2023 |
5 |
88 |
2022 |
4 |
91 |
2021 |
4 |
92 |
2020 |
4 |
90 |
2019 |
4 |
87 |
Die Punktzahl für Libyen sank um drei Punkte im Vergleich zum Weltverfolgungsindex 2022. Dies ist auf die Reduzierung der gemeldeten Fälle von Gewalt zurückzuführen. Die Punktzahl für den Bereich Gewalt ist jedoch weiterhin als „sehr hoch“ eingestuft. Die Wertungen in allen Lebensbereichen bleiben extrem hoch. Obwohl sich das Land zu einem gewissen Grad stabilisiert hat und im Berichtszeitraum weniger direkte Konflikte zu verzeichnen waren, ist die allgemeine Gefahr für die Christen in Libyen nach wie vor extrem hoch.
7. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?
Frauen
Frauen wird im libyschen Familienleben eine geringere Stellung als Männern zugewiesen. Dies geht auf Stammesnormen zurück, die der Scharia entsprechen. Wenn eine Frau verdächtigt wird, sich für den christlichen Glauben zu interessieren, kann sie Hausarrest oder Zwangsheirat erfahren oder sogar getötet werden; auch mit sexuellen Übergriffen und sexualisierter Gewalt müssen diese Frauen rechnen, manchmal als eine Form der Bestrafung. Bei der Verfolgung dieser und anderer Straftaten stoßen Frauen auf soziale und kulturelle Hindernisse. Christliche Migrantinnen, die Libyen durchqueren, sind zudem von Entführung und Menschenhandel bedroht, insbesondere wenn sie von ihren männlichen Begleitern getrennt werden, wie beispielsweise in Auffanglagern für Flüchtlinge.
Männer
Generell sind Männer in Libyen aufgrund des anhaltenden Kreislaufs von Gewalt, Gräueltaten und Straffreiheit einem hohen Risiko körperlicher Gewalt ausgesetzt. Vor allem libysche männliche Christen mit muslimischem Hintergrund sehen sich mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes konfrontiert sowie mit körperlichen und seelischen Misshandlungen und der Vertreibung aus ihrem Familienhaus. Zwangsarbeit und Sklaverei von Männern, die aus Subsahara-Afrika nach Libyen eingewandert sind, sind weit verbreitet. Davon sind auch Christen betroffen. Libysche Männer und Jungen werden zunehmend gezwungen, in Milizen zu kämpfen, was viele dazu veranlasst, aus ihren Heimatstädten zu fliehen, um einem solchen Schicksal zu entgehen. Auch in Auffanglagern für Flüchtlinge werden christliche Migranten zwangsrekrutiert.
8. Verfolgung anderer religiöser Gruppen
Sufis sowie die nicht dem sunnitischen Islam angehörenden Ibaditen erfahren in Libyen Verfolgung in Form von gewalttätigen Angriffen durch militante Gruppen wie den IS. Außerdem werden sie generell in der Gesellschaft diskriminiert. Zudem sind auch Atheisten und jeder, der die sunnitisch-islamischen Lehren öffentlich in Frage stellt, äußerst gefährdet.
9. Gebetsanliegen
Bitte beten Sie für Libyen:
- Beten Sie für Christen, die ihren Glauben an Jesus geheim halten müssen, weil ihnen ansonsten Verhaftung oder Versklavung drohen. Bitten Sie Jesus Christus, dass er sie mit Frieden erfüllt und ihnen ermutigende Zeichen seiner Nähe und Gunst schenkt.
- Bitten Sie Jesus Christus um Frieden und Stabilität in Libyen und um eine gute Regierung, die zum Wohl des ganzen Landes handelt.
- Beten Sie für die lokalen Partner von Open Doors, die Christen in einer Gesellschaft aufsuchen, in der die falsche Frage an die falsche Person Unheil bringen kann. Bitten Sie für sie um Weisheit, Gottes Leitung und Schutz, während sie dort Christen helfen.