Erfahren Sie mehr über den Weltverfolgungsindex – die Rangliste und der Bericht zu den 50 Ländern, in denen Christen die stärkste Verfolgung erleben.
Somalia


Christenverfolgung in Somalia
Berichtszeitraum: 1. Oktober 2021 – 30. September 2022
Überblick
Die Christen in Somalia leben in ständiger Gefahr. Sie werden von al-Shabaab-Kämpfern als explizites Ziel angesehen. Wenn sie entdeckt werden, tötet man sie oft auf der Stelle. Al-Shabaab ist eine islamisch-extremistische Miliz, die sich der Lehre des Wahhabismus verschrieben hat, einer puristisch-traditionalistischen Richtung des sunnitischen Islam. Die Gruppe befürwortet die Scharia als Grundlage aller Lebensbereiche in Somalia und hat das erklärte Ziel, alle Christen im Land auszulöschen. Auch vonseiten der Familienmitglieder und des sozialen Umfeldes wird die Religionsfreiheit von Christen verletzt. Eine Hinwendung zum christlichen Glauben gilt als Verrat gegenüber der Familie und dem Stamm. Allein der Verdacht, den christlichen Glauben angenommen zu haben, ist lebensgefährlich. In den letzten Jahren hat sich die Situation noch verschlimmert, da islamisch-extremistische Milizen ihre Jagd auf Christen, insbesondere auf christliche Leiter, intensiviert haben. In Somaliland, das als der Teil des Landes gilt, in dem die Menschenrechtssituation etwas besser ist, werden der Konversion verdächtigte Personen inhaftiert.
Länderprofil als PDF
Das folgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus dem Country Dossier von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Das vollständige Dossier auf Englisch sowie das gekürzte Länderprofil auf Deutsch (beides als PDF) finden Sie hier zum Download.
1. Hintergrund
Somalia gilt als gescheiterter Staat und gehört nach wie vor zu den ärmsten und fragilsten Nationen der Welt. Die chaotischen Jahre nach dem Sturz des Militärregimes von Präsident Mohamed Siad Barre im Jahr 1991 führten zum Aufstieg von Scharia-Gerichten und islamisch-extremistischen Gruppen wie al-Shabaab. Das Land ist zu einem Flickenteppich aus konkurrierenden islamisch-extremistischen Gruppen, Clans und auf ihnen beruhenden Milizen geworden. Die Bildung einer stabilen Regierung wird so drastisch erschwert.
Die Kultur ist patriarchalisch geprägt. Nur 30 Prozent der Kinder besuchen die Schule, und davon sind nur 40 Prozent Mädchen. Die weitverbreitete Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung führt dazu, dass viele Mädchen die Schule aufgrund von kräftezehrenden Infektionen und Narben verlassen. Auch frühe Eheschließungen führen zu einem vorzeitigen Schulaustritt von Mädchen.
Die Verfassung von 2012 bezeichnet den Islam als Staatsreligion und verleiht der Scharia die Vorherrschaft. Keine andere Religion darf im Land verbreitet werden. 99 Prozent der Bevölkerung sind sunnitische Muslime, Christen dagegen gelten als schädlich für die Kultur. Sie werden von al-Shabaab und anderen extremistischen Gruppen als „hochrangiges Ziel“ betrachtet. Das tägliche Leben ist für Christen eine Herausforderung. Wenn sie als Christen entlarvt werden, boykottiert man die Geschäfte der Männer, bedroht, foltert oder tötet sie. Christinnen erleben neben sexueller Gewalt und Zwangsehen auch die Bedrohung mit dem Tod. Es ist üblich, dass sowohl Männer als auch Frauen getötet werden, wenn sie den Islam verlassen.
2. Gibt es regionale Unterschiede?
Keine Region ist für Christen sicher. Allerdings sind Christen in den Gebieten am meisten gefährdet, die von islamisch-extremistischen Gruppierungen wie al-Shabaab kontrolliert werden. Diese Gebiete liegen besonders im Süden und Südwesten des Landes, einschließlich der Gebiete um Kismaayo, Jamaame, Merka und El Hur. Zwar sind die nördlichen Regionen wie Somaliland und Puntland stabiler als der Süden, jedoch sind Christen auch dort einem hohen Gewaltrisiko ausgesetzt.
3. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?
Islamische Unterdrückung
In vielen Regionen können islamisch-extremistische Milizen unbehelligt agieren. Sie töten diejenigen Somalier, die verdächtigt werden, zum christlichen Glauben konvertiert zu sein. Obgleich das Land versucht, sich zu stabilisieren und eine rechtmäßige Regierung zu bilden, neigen die politischen Führer und Regierungsbeamten mit überwältigender Mehrheit dazu, eine strenge Auslegung der Scharia zu befürworten.
Unterdrückung durch den Clan oder Stamm
Die somalische Gesellschaft basiert auf einer starken Stammesidentität, die eng damit verwoben ist, dass man als Somalier Muslim ist. Familienmitglieder und Stammesführer betrachten eine Hinwendung zum christlichen Glauben als Verrat. Daher besteht für jeden Christen, dessen Glaube entdeckt wird, die große Gefahr, dass ihm sofort Gewalt angetan wird.
Organisiertes Verbrechen und Korruption
Kriminelle profitieren von der Gesetzlosigkeit in Somalia. Sie agieren in einem Netz von illegalen Handelswegen und unterhalten enge Verbindungen zu al-Shabaab. Mit dem Geld, das diese Kartelle erwirtschaften, werden Waffen gekauft und Angriffe auf Christen und andere Zivilpersonen finanziert.
Diktatorische Paranoia
Die Christen im Land werden durch die Regierung unterdrückt und verfolgt. Sie ist es, die durch die Verabschiedung und Implementierung von Gesetzen und Verordnungen die Rechte der Christen in Somalia (Puntland, Somaliland und Somalia) einschränkt oder sie ihnen verweigert.
Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Länderprofil.
4. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?
Christen anderer religiöser Herkunft (Konvertiten)
Fast alle Christen im Land sind Konvertiten aus dem Islam. Sie werden von al-Shabaab-Funktionären und -Kämpfern als explizite Ziele betrachtet. Konvertiten - oder die der Konversion Beschuldigten - wurden in jüngster Vergangenheit meist auf der Stelle getötet, wenn sie entdeckt wurden.
5. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?
Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt
Die Summe der Wertungen aller sechs Bereiche (die maximale Punktzahl beträgt jeweils 16,7) ergibt die Gesamtpunktzahl und somit die Platzierung auf dem Weltverfolgungsindex. Das Verfolgungsmuster zeigt das Ausmaß von Druck und Gewalt, welche durch das Zusammenwirken der Triebkräfte hervorgerufen werden.
Privatleben
Der Besitz von christlichem Material ist streng verboten. Wem der Besitz einer Bibel oder anderer christlicher Druckerzeugnisse nachgewiesen wird, wird unter Befürwortung seiner Verwandten und der örtlichen Gemeinschaft hingerichtet. Solche schwerwiegenden Konsequenzen drohen auch denen, die im Verdacht stehen, den christlichen Glauben angenommen zu haben – deshalb müssen ehemalige Muslime ihre Hinwendung zum christlichen Glauben vor ihren eigenen Familienangehörigen verstecken.
Familienleben
Die somalische Gesellschaft geht davon aus, dass alle Kinder Muslime sind. Kinder christlich zu erziehen, ist äußerst schwierig. Wer seinen Kindern vom christlichen Glauben auch nur erzählt, riskiert bereits, von extremistischen Mitgliedern seines Clans angegriffen zu werden. Alle Kinder müssen die Medresse (Koranschule) besuchen und am Islamunterricht teilnehmen.
Gesellschaftliches Leben
Die somalische Gesellschaft ist konservativ. Der Bevölkerung werden islamische Lehren aufgezwungen. Das soziale Umfeld von Christen muslimischer Herkunft setzt sie dauerhaft unter Druck und überwacht sie. Abweichungen vom „guten muslimischen“ Verhalten werden unter Umständen an Gruppen wie al-Shabaab gemeldet – die dann gewalttätige Angriffe auf Christen verüben.
Leben im Staat
Die somalische Regierung ist der Ansicht, dass es keine somalischen Christen geben kann, da die Verfassung eine Abwendung vom Islam verbietet. Die Meinungsfreiheit ist stark eingeschränkt.
Kirchliches Leben
Christen können noch nicht einmal daran denken, kirchliches Leben wiederaufzunehmen. Der Versuch, eine katholische Kirche in Mogadischu wiederzueröffnen, war nicht erfolgreich; und der Versuch zur Wiedereröffnung einer katholischen Kirche in Hargeysa verursachte einen allgemeinen Aufschrei und öffentliche Feindseligkeiten. Es wird ständig überprüft, ob es inoffizielle Versammlungsstätten (Hauskirchen) im Land gibt.
Beispiele für Auftreten von Gewalt
Aus Sicherheitsgründen können keine konkreten Beispiele genannt werden.
6. Entwicklung in den letzten 5 Jahren
Jahr |
Platzierung |
Punktzahl |
2023 |
2 |
92 |
2022 |
3 |
91 |
2021 |
3 |
92 |
2020 |
3 |
92 |
2019 |
3 |
91 |
Die Punktzahl für Somalia ist relativ stabil geblieben, allerdings auf einer extremen Höhe. Gleichzeitig ist der Wert im Bereich für Gewalt leicht um 0,2 Punkte gestiegen. Die Christen im Land stehen in der Gefahr, von islamisch-extremistischen Kämpfern getötet zu werden. Stammesführer, Älteste und Familienmitglieder überwachen die Bewegungen aller mutmaßlichen christlichen Konvertiten. Zudem verschlechterte sich im aktuellen Berichtszeitraum die politische Lage, da sich Stammesführer, die amtierende Regierung, Oppositionsführer und sogar die internationale Gemeinschaft über die Durchführung von Wahlen uneinig waren. Diese Uneinigkeit, aber auch die Machtergreifung der Taliban in Afghanistan haben den Kampfgeist von islamisch-extremistischen Gruppen gestärkt.
7. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?
Frauen
Junge Frauen, die den christlichen Glauben annehmen, gehören nach wie vor zu den am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen. Es ist üblich, dass eine Frau, die des Glaubenswechsels verdächtigt wird, vergewaltigt, in der Öffentlichkeit gedemütigt, unter strengen Hausarrest gestellt, entführt, mit einem strenggläubigen Scheich (einem religiösen und/oder politischen Führer) zwangsverheiratet oder getötet wird. Wenn sie bereits verheiratet ist, ist es wahrscheinlich, dass die Frau geschieden wird und ihr die Kinder weggenommen werden. Auch christliche Frauen leiden, wenn ihre Ehemänner inhaftiert oder getötet werden; viele Frauen in dieser Situation werden von männlichen Verwandten ausgenutzt und ihre Familie verarmt.
Männer
Somalia ist eine patriarchalische Gesellschaft mit starker sozialer Kontrolle. Somalische Männer, die verdächtigt werden, sich vom Islam ab- und dem christlichen Glauben zugewandt zu haben, sind extremen Verletzungen ihrer Grundrechte ausgesetzt. Ihnen droht, dass ihre Geschäfte übernommen werden; sie werden beschimpft, körperlich angegriffen, inhaftiert, massiv bedroht, gefoltert, entführt oder getötet. Männer stehen unter zusätzlichem Druck, weil von ihnen erwartet wird, dass sie ihrer Familie in religiösen Angelegenheiten vorstehen – und folglich dafür verantwortlich gemacht werden können, wenn ein Familienmitglied den christlichen Glauben annimmt. Die Familien schicken ihre jungen Männer, darunter auch christliche Konvertiten, zwangsweise in islamische „Rehabilitationszentren“, um sie dort zu al-Shabaab-Kämpfern ausbilden zu lassen.
8. Verfolgung anderer religiöser Gruppen
In Somalia haben keine religiösen Gruppen außerhalb des sunnitischen Islam irgendwelche bedeutenden Rechte. In den von der al-Shabaab kontrollierten Gebieten ist die Situation derart verschärft, dass sich selbst schiitische Muslime sehr bedeckt halten; auch gemäßigte sunnitische Muslime geraten ins Fadenkreuz. Die Gesetze in Somalia verbieten die Verbreitung anderer Religionen als des Islam und untersagen Muslimen einen Glaubenswechsel. Die Verfassung besagt außerdem, dass die Scharia die Gesetzesgrundlage bildet. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass jede religiöse Gruppe außer sunnitischen Muslimen vor außerordentlichen Herausforderungen steht, ihren Glauben zu leben.
9. Gebetsanliegen
Bitte beten Sie für Somalia:
- Beten Sie für Frieden in Somalia. Das Land leidet unter politischen Unruhen, der ständigen Bedrohung von al-Shabaab und den Auswirkungen von Jahrzehnten des Bürgerkriegs.
- Nahezu 100 % der Somalier sind Muslime und es gibt keinen Platz für Christen. Beten Sie dafür, dass Jesus Christus trotz dieser Realität seine Gemeinde in Somalia baut.
- Open Doors unterstützt Christen aus dem Volk der Somali in der Region des Horns von Afrika seit den 1990er-Jahren. Bitten Sie um Gottes Weisheit und Schutz für diesen Dienst und dass die Anstrengungen viele Früchte tragen.