Erfahren Sie mehr über den Weltverfolgungsindex – die Rangliste und der Bericht zu den 50 Ländern, in denen Christen die stärkste Verfolgung erleben.
Kasachstan


Christenverfolgung in Kasachstan
Berichtszeitraum: 1. Oktober 2021 – 30. September 2022
Überblick
Die Religionsfreiheit wird durch ein im September 2011 eingeführtes Gesetz eingeschränkt. Unter dem Vorwand der Bedrohung durch den militanten Islam kontrolliert die kasachische Regierung streng die Gesellschaft. Dazu bedient sie sich verstärkter Überwachung, Razzien bei Versammlungen und Verhaftungen. Russisch-orthodoxe Kirchen haben mit der Regierung am wenigsten Probleme, da sie normalerweise nicht versuchen, Kontakte zur kasachischen Bevölkerung aufzubauen. Die einheimischen Christen mit muslimischem Hintergrund tragen die Hauptlast der Verfolgung durch den Staat, die Familie und ihr soziales Umfeld.
Länderprofil als PDF
Das folgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus dem Country Dossier von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Das vollständige Dossier auf Englisch sowie das gekürzte Länderprofil auf Deutsch (beides als PDF) finden Sie hier zum Download.
1. Hintergrund
Die ehemalige Sowjetrepublik Kasachstan erlangte 1991 ihre Unabhängigkeit und ist das reichste Land der Region. Seit 2010 verhält sich die Regierung zunehmend diktatorisch und zeichnet sich durch eine repressive Politik ohne echte Opposition und durch eine strenge Medienkontrolle aus. Seit der Machtübernahme durch Präsident Toqajew im Jahr 2019 hat sich die Lage nicht verbessert.
Die Hauptreligion ist der sunnitische Islam. Von Kasachen wird erwartet, dass sie Muslime sind. Dies erschwert das Leben von christlichen Konvertiten muslimischer Herkunft, besonders in ländlichen Gebieten. Es wäre jedoch falsch, Kasachstan als muslimisches Land zu bezeichnen. Die meisten Kasachen folgen eher den Traditionen als den Lehren des Islam, und 70 Jahre sowjetischer Atheismus haben ihre Spuren hinterlassen: Die Regierung ist strikt säkular. Eine bedeutende russische Minderheit im Norden ist der Grund dafür, dass im Vergleich zu anderen zentralasiatischen Ländern in Kasachstan die größte Anzahl von Christen leben und dass mehr als 90 Prozent aller Christen im Land der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK) angehören. In der Politik des Landes spielen Christen aber keine Rolle. Es gibt keine christlichen Parteien.
Die im September 2011 eingeführte Gesetzgebung zu religiösen Angelegenheiten sieht unter anderem vor, dass sich Religionsgemeinschaften neu registrieren müssen, dass nicht registrierte religiöse Aktivitäten verboten sind, dass die Herstellung und Verbreitung von religiösem Material im Land eingeschränkt ist und dass religiöse Aktivitäten für Kinder, wie etwa Sommerlager, verboten sind. Die Behörden führen Razzien in Gottesdiensten durch, bestrafen Äußerungen, die „religiösen Unfrieden stiften“, und nehmen Personen wegen „illegaler Missionstätigkeit“ fest. Seit 2019 wurde das Recht auf Religionsfreiheit mehr respektiert – vorgeschlagene Änderungen, die eine Verschärfung des Gesetzes von 2011 bedeutet hätten, gab die Regierung auf; ein runder Tisch zur Religionsfreiheit, zu dem auch Minderheiten eingeladen wurden, wurde eingerichtet; und die Zahl der Strafverfolgungen wegen religiöser Vergehen ist rückläufig. Jedoch wurde im Januar 2022 das Religionsgesetz geändert – und die staatliche Religionszensur damit ausgeweitet und erschwert, religiöse Versammlungen außerhalb staatlich registrierter Gotteshäuser abzuhalten.
Weltanschauungen |
Anhänger |
% |
Christen |
4.876.000 |
25,4 |
Muslime |
13.567.000 |
70,6 |
Atheisten |
93.800 |
0,5 |
Agnostiker |
587.000 |
3,1 |
2. Gibt es regionale Unterschiede?
Zu Rechtsverletzungen gegenüber christlichen Gemeinden durch Regierungsbeamte kommt es überall im Land. Der Druck von Familie, Freunden und dem sozialen Umfeld auf christliche Konvertiten ist in ländlichen Gebieten stärker.
3. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?
Diktatorische Paranoia
Nur staatlich kontrollierte religiöse Institutionen sind erlaubt. Die Behörden führen Razzien durch und verhaften Mitglieder nichtregistrierter religiöser Gruppen. Davon betroffen sind insbesondere protestantische Christen, da sie als fremder Einfluss betrachtet werden, der darauf abzielt, das aktuelle politische System zu zerstören.
Islamische Unterdrückung, gemischt mit Unterdrückung durch den Clan oder Stamm
Muslime, die den christlichen Glauben annehmen, sind häufig dem Druck und manchmal der Gewalt ihrer Familien und ihres sozialen Umfelds ausgesetzt. Sie können unter Hausarrest gestellt oder aus ihren Wohnungen vertrieben werden. Kasachische Führungspersönlichkeiten und Behörden betrachten die Hinwendung zum christlichen Glauben als einen Angriff auf die kasachische Identität. Daher halten viele Christen muslimischer Herkunft ihren Glauben geheim.
Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Länderprofil.
4. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?
Christen aus traditionellen Kirchen
Die ROK genießt relative Freiheit, da ihre Gemeinden das Evangelium nicht an Kasachen weitergeben und daher nicht als Bedrohung angesehen werden. Darüber hinaus hat die Regierung Kasachstans kein Interesse daran, Russland durch ein Vorgehen gegen die ROK zu provozieren.
Christen anderer religiöser Herkunft (Konvertiten)
Die Regierung legt Christen muslimischer Herkunft Einschränkungen auf, und die Familie und das soziale Umfeld üben starken Druck auf sie aus.
Christen aus protestantischen Freikirchen
Baptistische, evangelikale und pfingstkirchliche Gemeinden sind nicht registriert, und die Behörden belegen sie mit Razzien, Drohungen, Inhaftierungen und Geldstrafen, besonders wenn sie das Evangelium weitergeben.
5. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?
Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt
Die Summe der Wertungen aller sechs Bereiche (die maximale Punktzahl beträgt jeweils 16,7) ergibt die Gesamtpunktzahl und somit die Platzierung auf dem Weltverfolgungsindex. Das Verfolgungsmuster zeigt das Ausmaß von Druck und Gewalt, welche durch das Zusammenwirken der Triebkräfte hervorgerufen werden.
Privatleben
Die Hinwendung zum christlichen Glauben wird als Verrat gegenüber der Familie und der kasachischen Kultur gesehen. In ländlichen Gebieten erleiden christliche Konvertiten muslimischer Herkunft oft körperliche Gewalt. Daher sprechen sie nicht über ihren neuen Glauben; und sie verstecken christliche Materialien, die als Beweis für ihren Glaubenswechsel gegen sie verwendet werden könnten. Christen aus protestantischen Freikirchen werden schnell von den staatlichen Behörden beschuldigt, Evangelisation zu betreiben.
Familienleben
Kinder von Christen werden aufgrund des Glaubens ihrer Eltern diskriminiert, und muslimische Kinder werden oft dazu angehalten, sich nicht mit ihnen zu treffen. Christliche Kinder werden unter Umständen unter Druck gesetzt, gegen den Willen ihrer Eltern am Islamunterricht teilzunehmen. Regelmäßig veranstalten die Schulen staatlich finanzierte öffentliche Zusammenkünfte zur Bekämpfung von „Sekten“. Dabei wird Propaganda gegen religiöse Minderheiten verbreitet, einschließlich evangelikaler Christen. Offiziell ist die Teilnahme an diesen Veranstaltungen freiwillig, allerdings werden alle Kinder nachdrücklich zur Teilnahme aufgefordert. Die Adoption von kasachischen Kindern ist für christliche Familien verboten.
Gesellschaftliches Leben
Christen muslimischer Herkunft werden von ihren Familien oder dem sozialen Umfeld überwacht, verhört und bedroht. Die Behörden vor Ort überwachen nichtregistrierte Kirchen und führen Razzien durch. Ihre Mitglieder werden gegebenenfalls wegen illegaler religiöser Aktivitäten bedroht, mit Geldstrafen belegt oder inhaftiert. Wenn Christen einmal im Strafregister verzeichnet sind, müssen sie sich regelmäßig bei der Polizei melden.
Leben im Staat
Die Verfassung erkennt den staatlich unterstützten Muslimrat und die ROK an – alle anderen Religionsgemeinschaften müssen sich gemäß dem Gesetz von 2011 neu registrieren lassen. Doch der Registrierungsprozess ist kompliziert. Damit werden für nichttraditionelle religiöse Organisationen die Möglichkeiten eingeschränkt, auf einer offiziellen Grundlage zu arbeiten.
Kirchliches Leben
Religiöse Schulen und Nichtregierungsorganisationen sind nicht zugelassen. Jegliche soziale Arbeit von Christen wird als eine Form von Missionierung angesehen und bekämpft. Der Druck und die Verteilung von religiöser Literatur sind eingeschränkt.
Beispiele für Auftreten von Gewalt
- Mindestens zwei Christen wurden aufgrund ihres Glaubens verhaftet.
- Eine Frau wurde von einem muslimischen Taxifahrer vergewaltigt, verprügelt und fast getötet, weil sie nicht einheimisch und Christin war.
- Berichten zufolge wurden 25 christliche Konvertiten (sowohl Männer als auch Frauen) von ihren muslimischen Verwandten und ihrem sozialen Umfeld schikaniert. Die meisten von ihnen leben in ländlichen Gebieten.
6. Entwicklung in den letzten 5 Jahren
Jahr |
Platzierung |
Punktzahl |
2023 |
48 |
65 |
2022 |
47 |
64 |
2021 |
41 |
64 |
2020 |
35 |
64 |
2019 |
34 |
63 |
Die Punktzahl für Kasachstan stieg um einen Punkt im Vergleich zum Weltverfolgungsindex 2022. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der Druck im gesellschaftlichen und kirchlichen Lebensbereich gestiegen ist. In diesen Bereichen ist das Leben vorwiegend von den folgenden zwei Triebkräften der Verfolgung beherrscht: diktatorische Paranoia und islamische Unterdrückung. Muslimische Familien, Freunde und Dorfbewohner üben vor allem auf christliche Konvertiten muslimischer Herkunft Druck aus, während die Regierung den Kirchen viele Einschränkungen auferlegt.
7. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?
Frauen
Nach kasachischem Recht sind Männer und Frauen gleichberechtigt. In der Praxis überwiegen jedoch traditionelle Ansichten, welche die Frauen als den Männern untergeordnet betrachten. Es gibt nur wenige wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt, Polygamie, Kinder- und Zwangsehen, Brautentführungen und der weitverbreiteten häuslichen Gewalt. Christinnen muslimischer Herkunft sind in höherem Maße körperlichen und verbalen Misshandlungen, Belästigungen, Drohungen und Hausarrest ausgesetzt. Die Zwangsverheiratung mit einem Muslim ist keine Seltenheit und wird manchmal nach einer Entführung durchgeführt. Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und der begrenzten finanziellen Unabhängigkeit ist es für Frauen schwierig, dem Druck und der Verfolgung zu entkommen.
Männer
Männer haben in der Regel mehr Verantwortung im öffentlichen Bereich. Die religiöse Verfolgung, die Männer erfahren, spiegelt diese soziokulturelle Struktur wider. Männliche Christen riskieren Verhöre, Bußgelder, Festnahmen und Haftstrafen. Der Militärdienst ist für junge Männer obligatorisch und ist ein zusätzliches potenzielles Risiko, in einem Staat mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit stark kontrolliert zu werden. Christen muslimischer Herkunft sind dem Druck durch ihre Familien ausgesetzt und erleben in der Regel verbale Belästigungen und Schläge. Auch der Verlust des Arbeitsplatzes ist ein Risiko für Christen muslimischer Herkunft und Gemeindeleiter, mit Auswirkungen auch auf ihre Familien.
8. Verfolgung anderer religiöser Gruppen
Der kasachischen Verfassung nach ist Kasachstan ein säkularer Staat. Die Behörden schränken nichttraditionelle religiöse Gruppen ein, darunter auch Muslime, die einer anderen Richtung des Islam folgen als der offiziell anerkannten Hanafi-Schule des sunnitischen Islam.
9. Gebetsanliegen
Bitte beten Sie für Kasachstan:
- Beten Sie, dass die Christen im Land trotz verschärfter Religionszensur und erneuter Einschränkungen von Gemeindeveranstaltungen, weiterhin Wege finden, um geistliche Gemeinschaft zu pflegen und sich gegenseitig zu ermutigen. Beten Sie besonders für die Arbeit unter Kindern und Jugendlichen, die verboten ist.
- Bitten Sie um Einheit der Christen in Kasachstan, besonders zwischen den protestantischen Gemeinden und der Russisch-Orthodoxen Kirche, damit sie gemeinsam ein starkes Zeugnis der Liebe Christi im Land sein können.
- Beten Sie für die kasachischen Behörden, damit sie die guten Absichten der Christen erkennen und ihnen mehr Freiheit geben, ihren Glauben auszuleben