Erfahren Sie mehr über den Weltverfolgungsindex – die Rangliste und der Bericht zu den 50 Ländern, in denen Christen die stärkste Verfolgung erleben.
Iran


Christenverfolgung in Iran
Berichtszeitraum: 1. Oktober 2021 – 30. September 2022
Überblick
Christliche Konvertiten, die den Islam verlassen haben, tragen die Hauptlast der Verstöße gegen Religionsfreiheit. Diese Verstöße werden vor allem durch die Regierung und in einem geringeren Maße durch die Gesellschaft und die Familien der Konvertiten begangen. Die Regierung sieht in christlichen Konvertiten einen Versuch westlicher Länder, den Islam und die islamische Regierung Irans zu untergraben. Leiter von Gruppen solcher christlicher Konvertiten sowie Gemeindeleiter und einfache Mitglieder anderer Denominationen und Kirchen, die christliche Konvertiten unterstützen, werden verhaftet, vor Gericht gestellt und wegen „Verbrechen gegen die nationale Sicherheit“ zu langen Haftstrafen verurteilt. Die traditionellen armenischen und assyrischen Kirchen sind zwar durch den Staat anerkannt und geschützt, ihre Mitglieder werden jedoch als Bürger zweiter Klasse behandelt und sie leiden unter rechtlicher Diskriminierung. Es ist ihnen verboten, bei der Durchführung jeglicher Gemeindeaktivitäten oder der Erstellung christlicher Materialien die Landessprache Farsi zu verwenden; und die meisten Arbeitsplätze sind Muslimen vorbehalten, insbesondere staatliche Stellen. Außerdem ist Christen der armenischen und assyrischen Kirchen der Kontakt mit (farsisprachigen) christlichen Konvertiten verboten; ihre Gottesdienste dürfen diese Konvertiten nicht besuchen. Am Ende des Berichtszeitraums löste der Tod von Mahsa Amini am 16. September 2022 anhaltende Proteste aus. Da die folgenden Entwicklungen außerhalb des Berichtszeitraums liegen, sind sie im vorliegenden Länderprofil noch nicht berücksichtigt.
Länderprofil als PDF
Das folgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus dem Country Dossier von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Das vollständige Dossier auf Englisch sowie das gekürzte Länderprofil auf Deutsch (beides als PDF) finden Sie hier zum Download.
1. Hintergrund
Iran wurde zu einer islamischen Republik, als der Schah in der Revolution von 1979 abgesetzt wurde und schiitisch-islamische Geistliche die Kontrolle über das Land übernahmen. Sie verbannten jeglichen westlichen Einfluss (den sie als christlich betrachten) aus ihrem Land. Der ranghöchste und einflussreichste Geistliche ist heute der sogenannte „Oberste Führer“ Ajatollah Ali Chamenei. Der Rückzug der USA aus dem Iran-Abkommen (dem „Joint Comprehensive Plan of Action“, kurz JCPOA) im Jahr 2018 führte dazu, dass Sanktionen gegen Iran wieder in Kraft gesetzt wurden. Infolgedessen verlor die Währung des Landes (Iranischer Rial) an Wert und die Wirtschaftslage verschlechterte sich erheblich. Aufgrund wachsender Spannungen brach Iran die Bedingungen des JCPOA und es begann ein Schattenkrieg, in dessen Verlauf unter anderem der einflussreichste militärische Befehlshaber Irans, Generalmajor Qasem Soleimani, im Januar 2020 von den USA getötet wurde. Die derzeitige US-Regierung ist zwar bereit, zum JCPOA zurückzukehren, aber am Ende des Berichtszeitraums des diesjährigen Weltverfolgungsindex (September 2022) war die Position Irans dazu noch unklar. Dies ist zum Teil auf die Innenpolitik zurückzuführen: Dort gibt es eine Spaltung zwischen der islamischen Linken („Reformisten“) und der islamischen Rechten („Prinzipalisten“), wobei die Pragmatiker in der Mitte stehen. Allerdings ist es der Oberste Führer Chamenei, ein Prinzipalist, der alle politischen Fäden in der Hand hält. Er ernennt den Wächterrat, der bei allen parlamentarischen Gesetzen ein Vetorecht hat und der auch alle Kandidaten für politische Ämter überprüft, einschließlich denjenigen des Parlaments. Seit Jahren werden Tausende Kandidaten der Reformisten vom Wächterrat abgelehnt – was zu einem Boykott der letzten Wahlen durch die Opposition führte. Auf diese Weise wird jegliche Opposition unterdrückt; und so gelang es den Prinzipalisten, sowohl die Parlamentswahlen im Februar 2020 als auch die Präsidentschaftswahlen im Juni 2021 zu gewinnen. Der neu gewählte Präsident Ebrahim Raisi war zuvor Generalstaatsanwalt und oberster Richter Irans und ist für seine Rolle bei der Hinrichtung Tausender iranischer Dissidenten bekannt. Da die Prinzipalisten nun alle staatlichen Institutionen dominieren, ist es unwahrscheinlicher geworden, dass Iran zum JCPOA zurückkehren wird.
Proteste werden brutal unterdrückt und Dutzende Menschenrechtsaktivisten zu langen Haftstrafen verurteilt. Die Regierung überwacht das Internet, zensiert Inhalte oder drosselt die Verbindungsgeschwindigkeit, um die Unzufriedenheit und die Proteste in Schach zu halten. Wer sich dem Regime widersetzt, muss damit rechnen, verhaftet und ins Gefängnis gesteckt zu werden. Iran ist eines der repressivsten Länder der Welt für Journalisten: Sie werden schikaniert, willkürlich verhaftet und in ungerechten Gerichtsverfahren zu langen Haftstrafen verurteilt.
Das Land ist einer von nur sechs UN-Staaten, die die Frauenrechtskonvention („Convention on the Elimination of all forms of Discrimination Against Women“) nicht ratifiziert haben. Frauen sind im Allgemeinen wirtschaftlich stärker verwundbar, was auf niedrige Bildungsquoten, Armut und frühe Heirat zurückzuführen ist. Nach der Scharia erhalten Töchter im Erbfall nur die Hälfte dessen, was Söhne bekommen.
Iran ist mit Gruppen wie der Hisbollah und der Hamas verbündet. Die Gefahr eines Angriffs durch gewalttätige islamische Kämpfer in Iran ist dennoch groß, da der schiitische Iran gegen den sunnitischen sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) gekämpft hat und Sunniten auf seinem Terrain unterdrückt.
Offiziell folgen die meisten Iraner der Staatsreligion, dem schiitischen Islam. Jüngste Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass sich nur noch etwa 32 Prozent der Iraner als Anhänger der Schia bezeichnen. Eine bedeutsame Minderheit von zehn Prozent gehört außerdem dem sunnitischen Islam an. Die iranische Verfassung erkennt vier religiöse Gruppen an: Muslime, Zoroastrier, Juden und Christen. Iraner müssen sich zu einer dieser vier Gruppen bekennen, um eine Reihe von gesetzlichen Rechten geltend machen zu können, zum Beispiel um an einer Universität studieren zu können. Jeder, der kein schiitischer Muslim ist, wird diskriminiert und erfährt Einschränkungen; sogar die Mitglieder einiger schiitischer Sufi-Gruppen werden von der Regierung unter Druck gesetzt. Nicht anerkannte Minderheiten wie christliche Konvertiten, Bahai, Derwische und Nichtgläubige sind schweren Verletzungen ihrer Religionsfreiheit ausgesetzt.
Weltanschauungen |
Anhänger |
% |
Christen |
1.245.000 |
1,4 |
Muslime |
84.136.707 |
97,8 |
Bahai |
251.157 |
0,3 |
Agnostiker |
241.230 |
0,3 |
2. Gibt es regionale Unterschiede?
Die von der Regierung ausgeübte Kontrolle ist in städtischen Gegenden am höchsten. Ländliche Gebiete werden weniger stark überwacht. In der Anonymität der Städte haben Christen jedoch mehr Freiheiten, Treffen und Aktivitäten zu organisieren, als in ländlichen Gebieten, in denen die soziale Kontrolle stärker ist.
3. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?
Islamische Unterdrückung
Alle Gesetze müssen mit der Scharia übereinstimmen. Der Wächterrat, der vom Obersten Führer Chamenei eingesetzt wird und sich aus schiitischen Gelehrten und Geistlichen zusammensetzt, prüft alle Gesetze sowie die Kandidaten für die höchsten öffentlichen Ämter, beispielsweise für das Präsidentenamt und das Parlament. Ethnische Perser werden als Muslime betrachtet, weshalb jeder, der sich dem christlichen Glauben zuwendet, als Abtrünniger gilt. Dadurch werden fast alle christlichen Aktivitäten zu kriminellen Handlungen – vor allem, wenn sie auf Farsi stattfinden. Muslimische Geistliche rufen manchmal zu Gewalt gegen religiöse Minderheiten auf. Dabei ist die iranische Gesellschaft weniger fanatisch als ihre Führung. Dies ist zum Teil auf den weitverbreiteten Einfluss des gemäßigteren Sufi-Islams zurückzuführen sowie auf den Stolz des iranischen Volkes auf seine vorislamische persische Kultur. Dennoch üben oft religiöse Familien – auch solche aus ethnischen Minderheiten – Druck auf Familienmitglieder aus, die sich vom Islam abgewandt haben und Christen geworden sind.
Diktatorische Paranoia
Das Regime ist bestrebt, die Werte der Islamischen Revolution von 1979 zu schützen, von denen es seine Legitimität ableitet. Der christliche Glaube gilt als gefährlicher westlicher Einfluss und als Bedrohung der islamischen Identität der Republik. Dies erklärt, warum insbesondere Konvertiten, die sich vom Islam ab- und dem christlichen Glauben zugewandt haben, wegen „Verbrechen gegen die nationale Sicherheit“ verurteilt werden. Darüber hinaus zeigt die gewaltsame Unterdrückung jeglicher Opposition, dass es dem Regime vor allem um den Erhalt seiner Machtbasis geht.
Organisiertes Verbrechen und Korruption
Inhaftierten Christen, besonders christlichen Konvertiten, wird oft eine Entlassung gegen Kaution angeboten. Dabei geht es meist um hohe Geldbeträge, die Berichten zufolge zwischen 2.000 und 150.000 US-Dollar liegen. Die betroffenen Christen oder deren Familien werden dadurch gezwungen, ihre Häuser oder Geschäfte mit Hypotheken zu belasten. Personen, die gegen Kaution freigelassen werden, schweigen oft, da sie den Verlust ihres Familienbesitzes fürchten müssen. Das iranische Regime drängt sie, das Land zu verlassen und damit ihre Kaution zu verlieren. Es wird angenommen, dass Regierungsbeamte das Kautionssystem nutzen, um sich zu bereichern und diese Christen finanziell in den Ruin zu treiben.
Unterdrückung durch den Clan oder Stamm
In Iran herrscht eine Kultur der Ehre und Schande, insbesondere in ländlichen Gebieten. Dazu kommt, dass Iran eine multikulturelle Bevölkerung hat, wobei einige ethnische Gruppen starke Gruppenidentitäten wahren. Eine Hinwendung zum christlichen Glauben gilt als Verrat an der eigenen Gruppe und als Schande für die Familie. Das kann zu einem zusätzlichen Druck auch auf christliche Konvertiten führen.
Konfessioneller Protektionismus
Um einen Eindruck von religiöser Toleranz zu vermitteln, betonen die iranischen Behörden gerne, die armenischen und assyrischen Kirchen seien in den Medien und auf der internationalen Bühne vertreten. Tatsächlich äußern sich deren Repräsentanten dort öffentlich über „die Freiheit, die alle Christen genießen“, während in Wirklichkeit nur ein kleiner Teil der Christen ein sehr begrenztes Maß an Freiheit genießt. Diese Äußerungen werden häufig gegen andere christliche Konfessionen, meist protestantische Gemeinden von Konvertiten mit muslimischem Hintergrund, verwendet – um diejenigen Kirchen zu delegitimieren, die sich nicht an die Auflagen der Regierung halten und die ihre Religionsfreiheit in größerem Umfang ausüben wollen.
Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Länderprofil.
4. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?
Ausländische Christen und Arbeitsmigranten
Zu dieser Gruppe gehören ausländische Christen und Arbeitsmigranten aus Asien (zum Beispiel von den Philippinen oder aus Südkorea) und dem Westen, darunter viele Angehörige der katholischen, lutherischen oder presbyterianischen Kirche. Einige der wenigen ausländischen Gemeinden mussten schließen, nachdem einheimische Christen muslimischer Herkunft an den Gemeindeversammlungen teilgenommen hatten. Gemeinsame jährliche Gebetstreffen zwischen Kirchenleitern verschiedener Konfessionen wurden in der Vergangenheit auf Druck des iranischen Sicherheitsapparates ebenfalls abgesagt. Ausländischen Christen ist es streng verboten, mit iranischen christlichen Konvertiten aus dem Islam in Kontakt zu treten, geschweige denn sie in ihre Gemeinden aufzunehmen.
Christen aus traditionellen Kirchen
Volksgruppen wie die Armenier oder Assyrer sind traditionell mehrheitlich Christen. Sie leben als Minderheiten im Land, sind aber relativ frei in der Ausübung ihres Glaubens und dürfen Angehörigen ihres eigenen Volkes in ihrer jeweiligen Muttersprache predigen. Es ist ihnen jedoch verboten, (farsisprachige) Christen muslimischer Herkunft miteinzubeziehen oder an den armenischen und assyrischen Gottesdiensten teilnehmen zu lassen. Obwohl Armenier und Assyrer formell anerkannt und gesetzlich geschützt sind, werden sie als Bürger zweiter Klasse behandelt und sind rechtlicher und gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Zudem riskieren sie Freiheitsentzug, wenn sie Muslimen von ihrem christlichen Glauben erzählen.
Christen anderer religiöser Herkunft (Konvertiten)
Die größte Gruppe von Christen in Iran sind ehemalige Muslime, die den christlichen Glauben angenommen haben. Sie tragen die Hauptlast der Verfolgung, die von der Regierung ausgeht, und in einem geringeren Ausmaß auch von ihren (Groß-)Familien und der Gesellschaft. Die Taufe wird als öffentliches Zeichen der Abwendung vom Islam gesehen. Sie ist deshalb verboten. Kinder von christlichen Konvertiten aus dem Islam werden automatisch als Muslime registriert, da ihre Eltern ihre offizielle Religionszugehörigkeit nicht ändern können. In der Vergangenheit waren es die Leiter von Gruppen christlicher Konvertiten, die verhaftet, vor Gericht gestellt und wegen „Verbrechen gegen die nationale Sicherheit“ zu langen Haftstrafen verurteilt wurden. Vermehrt werden in ähnlicher Weise nun auch Mitglieder von Hauskirchen angeklagt, die keine Leitungsfunktion innerhalb der Gruppe ausüben; ebenso wie Christen anderer Konfessionen, die sie unterstützen. Weltweit gibt es eine wachsende Gemeinschaft iranischer Christen muslimischer Herkunft, da viele von ihnen im Laufe der Jahre aus dem Land geflohen sind und andere Iraner im Ausland ebenfalls Christen geworden sind.
Christen aus protestantischen Freikirchen
Eine weitere Gruppe von Christen besteht aus Evangelikalen, Baptisten und Mitgliedern von Pfingstgemeinden. Es ist zwar schwierig, diese Gruppe klar von den Gemeinschaften christlicher Konvertiten abzugrenzen, allerdings haben die Christen protestantischer Freikirchen oft einen armenischen, assyrischen, jüdischen oder zoroastrischen Hintergrund, von dem sie sich abgewandt haben; andere sind Kinder oder Enkel von Christen muslimischer Herkunft. Sie sind der gleichen schweren Verfolgung durch die Regierung ausgesetzt und werden von der Gesellschaft diskriminiert, insbesondere, wenn sie das Evangelium weitergeben oder Hauskirchen besuchen.
5. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?
Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt
Die Summe der Wertungen aller sechs Bereiche (die maximale Punktzahl beträgt jeweils 16,7) ergibt die Gesamtpunktzahl und somit die Platzierung auf dem Weltverfolgungsindex. Das Verfolgungsmuster zeigt das Ausmaß von Druck und Gewalt, welche durch das Zusammenwirken der Triebkräfte hervorgerufen werden.
Privatleben
Es ist für Christen riskant, ihren Glauben öffentlich kundzutun (etwa in Blogs oder sozialen Medien), insbesondere für christliche Konvertiten. Das Internet wird überwacht und solche Äußerungen können als Beweismittel für eine Verhaftung dienen. Die Weitergabe christlicher Botschaften (vor allem auf Farsi) kann als Bekehrungsversuch interpretiert werden. Auch der Zugriff auf christliche Online-Materialien oder die Kontaktaufnahme mit ausländischen Christen sind riskante Unterfangen. Der Besitz christlicher Literatur auf Farsi, besonders in größeren Stückzahlen, legt den Verdacht nahe, dass sie zur Weitergabe an muslimische Iraner gedacht ist. Zusammenkünfte von christlichen Konvertiten mit muslimischem Hintergrund werden überwacht und häufig von der Polizei gestürmt.
Familienleben
Christen können keine muslimischen Kinder adoptieren. Armenische und assyrische Christen betreiben jedoch eigene Waisenhäuser, aus denen sie Kinder adoptieren können. Die Kinder von christlichen Konvertiten muslimischer Herkunft werden automatisch als Muslime registriert. Sie müssen am islamisch geprägten Schulunterricht teilnehmen, der seit der Revolution von 1979 noch stärker am Islam ausgerichtet wurde. Sogar die Kinder von armenischen oder assyrischen Christen werden bereits in der Grundschule gezwungen, am Islamunterricht teilzunehmen. Der Widerstand vonseiten christlicher Eltern gegen diese Regelung hat nur dazu geführt, dass sie vor Gericht gestellt und ihre Kinder bedroht wurden. An den Universitäten sind Kurse wie islamische Geschichte, Koran und Arabisch Pflichtfächer. Bei der Bewerbung an einer Universität muss die Religionszugehörigkeit angeben werden; und gibt eine Person muslimischer Herkunft an, dass sie Christ sei, wird sie nicht an der Universität aufgenommen. Gemeindeleiter und in zunehmendem Maße auch Gemeindemitglieder werden zu oftmals langjährigen Haftstrafen verurteilt – mit traumatischen Folgen für die ganze Familie. Laut Artikel 881 des Zivilgesetzbuchs kann ein Nichtmuslim kein Vermögen von einem Muslim erben. Gibt es im Todesfall eines Nichtmuslims unter den Erben nur einen Muslim, so fällt diesem der gesamte Nachlass zu.
Gesellschaftliches Leben
Christen werden überwacht, insbesondere wenn sie im Verdacht stehen, eine Hauskirche zu leiten oder das Evangelium weiterzugeben. Diese Christen werden häufig zu Verhören vorgeladen, die der Einschüchterung dienen sollen. Informanten in westlichen Ländern berichten dem iranischen Geheimdienst über Aktivitäten iranischer Christen im Ausland. In Iran ist es für Frauen Pflicht, den Kopf zu bedecken und den Hijab zu tragen. Mehr als 80 Prozent des Wirtschaftssektors werden von der iranischen Regierung kontrolliert. Das Geschäftsleben ist von Klientelpolitik und Vetternwirtschaft geprägt. Christen aus traditionellen Kirchen, wie armenische und assyrische Christen, werden im Geschäftsleben diskriminiert; den anderen Christen in Iran ist es fast gar nicht möglich, Handel zu treiben.
Leben im Staat
Hohe Posten in der Regierung sind schiitischen Muslimen vorbehalten; Christen sind von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, mit Ausnahme von drei Sitzen im Parlament, die für Christen der armenischen und assyrischen ethnischen Minderheit reserviert sind. Es kann gefährlich sein, die Regierung zu kritisieren. Die nationalen Medien werden streng kontrolliert, und sowohl Staatsbeamte als auch Imame kritisieren Christen (in der Regel in Bezug auf Hauskirchen und unter Vorwürfen des „Zionismus“). Sexuelle Belästigung ist weit verbreitet, obwohl sie einen Verstoß gegen das iranische Strafgesetzbuch darstellt. Familienmitglieder können christlichen Konvertiten Leid antun, ohne dafür bestraft zu werden.
Kirchliches Leben
Die meisten Gottesdienste werden von der Polizei überwacht. Dies schürt Angst unter den Gottesdienstbesuchern. Armenische und assyrische Christen dürfen Gottesdienste in ihren eigenen Sprachen abhalten, solange sie Christen mit muslimischem Hintergrund die Teilnahme verweigern. Armenier und Assyrer betreiben zudem einige staatlich subventionierte Schulen; die Schulleiter sind jedoch in der Regel Muslime. In den letzten Jahren hat die Regierung ihre Bemühungen verstärkt, farsisprachige Christen aus Iran zu vertreiben, indem sie Kirchen schloss und christliche Leiter verhaftete. Offiziell gibt es kaum noch farsisprachige Kirchen im Land.
Beispiele für Auftreten von Gewalt
- Das iranische Regime setzt seine Praxis der exorbitanten Kautionen fort, die es von inhaftierten Christen für deren Freilassung verlangt. In den letzten Jahren gab es etliche dokumentierte Fälle, bei denen Christen hohe Kautionssummen zahlen mussten und es wird vermutet, dass das iranische Regime diese Praxis betreibt, um hohe Beamte zu bereichern und Christen in den finanziellen Ruin zu treiben. Statt sie weiter zu inhaftieren, bedroht das iranische Regime sie nach ihrer Freilassung massiv und drängt sie so, das Land zu verlassen und damit ihre Kaution zu verlieren. Viele iranische Christen mussten ihren persönlichen Besitz oder auch Geschäftsgrundstücke verkaufen, um ihre Kaution zahlen zu können. Diejenigen, die nicht über die finanziellen Mittel verfügen, bleiben oft inhaftiert.
- Das Regime setzte die Razzien in den Hauskirchen fort. Viele der bei solchen Razzien aufgegriffenen Christen müssen unter Zwang schriftlich erklären, dass sie in Zukunft keinen Kontakt mehr zu anderen Christen aufnehmen – und werden so in die Isolation gedrängt. Andere werden strafrechtlich verfolgt und verurteilt. Wenn sie einmal ins Blickfeld der Regierung geraten sind, beschließen viele iranische Christen, aus dem Land zu fliehen.
- Obwohl die traditionellen Kirchen in der Verfassung des Landes offiziell anerkannt sind, haben auch armenische und assyrische Christen keine Religionsfreiheit, obwohl das vom Regime behauptet wird. So wurden im vergangenen Jahr mindestens zwei armenische Christen wegen ihrer christlichen Aktivitäten zu Haftstrafen verurteilt.
6. Entwicklung in den letzten 5 Jahren
Jahr |
Platzierung |
Punktzahl |
2023 |
8 |
86 |
2022 |
9 |
85 |
2021 |
8 |
86 |
2020 |
9 |
85 |
2019 |
9 |
85 |
Der durchschnittliche Druck in Iran ist weiterhin extrem hoch. Der Anstieg um einen Punkt ist vor allem auf eine Zunahme der gemeldeten gewalttätigen Vorfälle zurückzuführen, einschließlich einer Entführung. Die Aussichten für iranische Christen, insbesondere für Konvertiten vom Islam zum christlichen Glauben, verbessern sich in keiner Weise. Die politischen Institutionen des Landes, einschließlich der Präsidentschaft, werden von Hardlinern dominiert. Die Änderung und Verschärfung des Strafgesetzbuchs im Jahr 2021 fügen sich in eine umfassendere Entwicklung ein, nach der Iran immer mehr zu einem totalitären Staat wird. Die staatliche Überwachung nimmt zu, und die Behörden kontrollieren immer stärker das Leben der Bürger einschließlich alltäglicher Aktivitäten. Dies zeigt sich auch in den harten Reaktionen der Behörden auf die Proteste, die infolge des Todes von Mahsa Amini am 16. September 2022 aufgekommen sind. Die Wertung ist in allen Lebensbereichen extrem hoch.
7. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?
Frauen
Da viele Hauskirchen zum Schließen gezwungen wurden, sind Christen zunehmend isoliert. Und aufgrund des Drucks vonseiten der Familie und des örtlichen sozialen Umfelds sehen sich insbesondere Konvertitinnen mit muslimischem Hintergrund gezwungen, muslimische Männer zu heiraten. Zudem werden alleinstehende christliche Frauen in der Arbeitswelt bei der Jobsuche benachteiligt. Ist eine Frau bereits verheiratet, wenn sie sich vom Islam abwendet und Christin wird, können ihr die Kinder weggenommen werden, um so sicherzustellen, dass diese als Muslime erzogen werden. Auch innerhalb von Ehen sind christliche Frauen nicht vor sexuellem Missbrauch und häuslicher Gewalt geschützt. Dieser fehlende Rechtsschutz führt dazu, dass diejenigen straffrei ausgehen können, die christliche Frauen im privaten und öffentlichen Raum aus religiösen Gründen gewaltsam verfolgen.
Männer
Männer, insbesondere Pastoren, stehen in erhöhter Gefahr, verhaftet und strafrechtlich verfolgt zu werden sowie für längere Zeit ins Gefängnis zu kommen. Männer sind in der Regel die Hauptversorger ihrer Familien. Wenn sie sich aber vom Islam ab- und dem christlichen Glauben zuwenden, riskieren sie, ihren Arbeitsplatz zu verlieren; und wenn sie ein Gewerbe anmelden oder eine Genehmigung beantragen und der Beamte von ihrem christlichen Glauben erfährt, wird der Antrag mit großer Wahrscheinlichkeit abgelehnt – dies stellt eine zusätzliche finanzielle und psychologische Belastung für ihre Familien dar. Außerdem werden Männer überwacht, bedroht und belästigt. Im Gegensatz zu Frauen werden männliche christliche Konvertiten nicht als „fehlgeleitet“ angesehen, sondern als Menschen, die bewusst die falschen Entscheidungen treffen.
8. Verfolgung anderer religiöser Gruppen
Bahai, Sunniten, Sufis (Derwische) und andere religiöse Minderheiten werden in Iran ebenfalls verfolgt. Viele Regimekritiker aus diesen Gruppen wurden hingerichtet – vor allem unter dem Vorwurf des Terrorismus (anstelle von „Apostasie“). Auch ethnische Minderheiten wie Kurden, Belutschen und iranische Araber werden von der Regierung verdächtigt und diskriminiert.
9. Gebetsanliegen
Bitte beten Sie für Iran:
- Bitten Sie Jesus Christus für die geheimen Hausgemeinden um Schutz vor Razzien und Spitzeln, und dass sich die Christen dort weiterhin gegenseitig ermutigen und sie im Glauben wachsen.
- Beten Sie für die Christen um Mut, Weisheit und die richtigen Worte, wenn sie verhört werden.
- Beten Sie für die Christen im Gefängnis um Kraft, die Strapazen zu ertragen, und dass Jesus sie gebraucht, um zu Mithäftlingen und dem Gefängnispersonal zu sprechen. Beten Sie, dass so noch mehr Menschen zu ihm finden.
- Beten Sie, dass Jesus die Augen der Regierung öffnet, damit sie erkennt, dass Christen keine Bedrohung für Iran sind, sondern ein wertvoller Teil der iranischen Gesellschaft.