Indien: Wenn der Schmerz unerträglich wird

Sarah* gehört zu den lokalen Partnern von Open Doors in Indien. In diesem persönlichen Bericht schildert sie, was sie durch ihren Besuch bei Pastor Neelesh* gelernt hat und wie sie dadurch in ihrem persönlichen Glauben gestärkt wurde.

Anfang des Jahres hatte ich das Privileg, Pastor Neelesh zu treffen, einen Mann, der aufgrund seines Glaubens unvorstellbare Verfolgung durchgemacht hat. Seine Geschichte erinnerte mich an Hiob. Pastor Neelesh hat seinen einzigen Sohn, sein Land, seine Arbeit, sein Haus verloren – aber er hält bis heute an Jesus fest. Er ist weiterhin als Pastor tätig, obwohl er weiß, dass seine Nachbarn und die ganze Dorfgemeinschaft – die hauptsächlich aus Buddhisten besteht – ihm feindlich gesinnt sind und ihm schaden wollen.
 

Pastor Neelesh und seine Tochter
Pastor Neelesh und seine Tochter

Von Jesus geheilt

Ich traf Pastor Neelesh bei einer Schulung während der Mittagspause: ein kleiner, grauhaariger Mann Ende fünfzig. Eifrig stellte er mir sich selbst und seine Tochter vor. Er wirkte gut gelaunt – man hätte nicht geahnt, welch tragische Erinnerungen er in sich trägt. Aufgeregt berichtete er mir, wie er zum Glauben an Christus kam, nachdem Jesus ihn von einer tödlichen Krankheit geheilt hatte. Er erzählte, wie verblüfft die Leute waren, ihn gesund zu sehen, die sich so sicher gewesen waren, dass er nur noch wenige Tage zu leben hatte.

Ich fragte ihn nach seiner Familie und wie sie ihn bei seiner Arbeit unterstützt. Er lächelte: „Ich habe vier wunderbare Kinder, vier Mädchen. Sie helfen mir in meinem Dienst auf vielfältige Weise. Ich bin gesegnet.“ Er hielt inne. Als er fortfuhr, klang Schmerz in seiner Stimme mit: „Ich hatte auch einen Sohn. Die Leute ermordeten ihn, weil er aus einer christlichen Familie stammte.“ Wieder schwieg er eine Weile. „Das war vor zehn Jahren. Mein Sohn war damals sieben Jahre alt. Die buddhistischen Jungen in seinem Internat hatten ihn schwer verprügelt, weil sie gegen den christlichen Glauben waren. Als ich davon erfuhr, eilte ich zum Internat und brachte ihn ins Krankenhaus. Er starb auf dem Weg. Er starb in meinen Armen. Ich konnte nichts tun.“ 

Aus der Bahn geworfen

„Ich sagte meinen anderen Kindern nichts davon, aber nach dem Tod meines Sohnes kam ich für einige Monate völlig aus der Bahn. Es war unerträglich. Meine Frau und ich begannen, uns nachts zu betrinken, um unser Elend zu vergessen. Wir gingen nur noch einmal im Monat zur Kirche und auch das nicht mit ganzem Herzen. Wir haben uns nicht von Christus abgewandt, aber wir waren auch nicht voll dabei.“ Während Neelesh diese schlimmste Zeit seines Lebens beschreibt, krampft er seine Hände zusammen, seine Augen sind voller Tränen. „Ich war fassungslos. Ich konnte nicht sehen, was Gott mit all dem beabsichtigte. Warum ließ er meinen unschuldigen, siebenjährigen Sohn sterben, wo doch derselbe Gott mich geheilt hatte, als ich schon auf dem Totenbett lag?“
 

Pastor Neelesh (links) in seiner Gemeinde
Pastor Neelesh (links) in seiner Gemeinde

Am Boden

„Dann, eines Tages, als ich völlig am Boden zerstört war, ging ich zu einer Bar und betrank mich. Als ich nach Hause wankte, traf ich meinen alten Pastor. Er schaute mir direkt in die Augen und sagte: ,Neelesh, möchtest du deinen Sohn wiedertreffen?’ Ich war aufgebracht. ,Machst du dich über mich lustig? Du weißt, dass er tot ist!’ Zu meiner Überraschung antwortete der Pastor sanft: ,Wenn du so weitermachst, wirst du deinen Sohn nie treffen, der jetzt im Himmel ist.’ Seine Antwort schockierte mich zutiefst. Es stimmte: Mein Sohn war erst sieben, als er starb, aber er liebte Jesus. Mein Sohn, der den Märtyrertod starb, ist gewiss im Himmel. Ich würde ihn nie wiedersehen, wenn ich Jesus verließe. In der folgenden Nacht hatte ich eine Vision. Ich sah meinen Sohn, der in einem wunderschönen Garten spielte. Als ich auf ihn zuging, sagte er: ,Papa, du solltest jetzt nicht hierher kommen. Es ist noch nicht deine Zeit. Schau, ich bin hier sehr glücklich.’“ 

Neelesh berichtete, wie er nach dieser Nacht einen außergewöhnlichen Frieden im Herzen hatte. Er tröstete seine Frau und nahm seinen Dienst wieder auf. „Es war, als ob Jesus mich völlig neu belebt hätte. Ich ging mit mehr Glauben und Eifer als je zuvor voran.“

Standhaft in Verfolgung

Dies war nicht das Einzige, was Pastor Neelesh wegen seines Glaubens durchmachen musste. Er berichtet, wie Leute aus der Dorfgemeinschaft sein Haus niederbrannten. Er baute es wieder auf, und sie brannten es erneut nieder. Mehrfach zerstörten sie seine Ernte – das tun sie jedes Jahr. Die Polizei ist immer auf ihrer Seite, so dass Neelesh nichts anderes tun kann, als zu beten und sein Vertrauen auf Jesus zu setzen. Dennoch bleibt er voller Freude und Hoffnung in Christus. „Ich habe eine Entscheidung getroffen. Ich will für Christus leben und, wenn er es möchte, für ihn sterben. Was ich um seinetwillen verliere, werde ich am Ende gewinnen.“

Das Gespräch mit Pastor Neelesh hat meine Perspektive geändert. Es war, als ob ich dem Schmerz sehr nahe kam, ihn sogar zu einem gewissen Maß selbst spüren konnte. Und ich konnte sehen, dass Gott den qualvollsten Schmerz, den wir durchleiden, heilen kann, wenn wir uns Ihm ausliefern und auf Ihn sehen.

*Name geändert