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Libyen nach Gaddafi: Wie sieht die Zukunft der Christen aus?

KOMMENTAR von Markus Rode, Leiter von Open Doors Deutschland e.V.

 

(Open Doors) - Nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi scheint für das nordafrikanische Libyen der Weg in eine neue Zukunft frei zu sein. Der Übergangsrat hatte im September erklärt, Libyen werde als gemäßigter islamischer Staat entsprechend der Scharia zu einem demokratischen Rechtsstaat aufgebaut. Wird dies Realität, dann kann Libyen keine Demokratie nach westlichem Verständnis werden. Wie in anderen islamischen Ländern wird die Scharia, also das islamische Recht, dann die Richtschnur für alle Gesetzgebung und Rechtsprechung sein. Demnach dürfte kein Gesetz den Lehren des Islam widersprechen. Das bietet genügend Interpretationsspielraum, ja vielleicht sogar das Potential, die Erneuerung des Landes zum Scheitern zu bringen. Schon jetzt sind die Diskussionen zwischen moderaten Muslimen bzw. säkular ausgerichteten Gruppen und islamischen Konservativen und Islamisten hitzig.

Was sagt dies über die Zukunft der Christen im Land aus?

Für Prognosen ist es zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh. Doch bangen Libyens Christen um ihre Zukunft. Schon heute halten die wenigen Christen muslimischer Herkunft ihren Glauben lieber geheim. Für ihr Schicksal werden die Antworten auf folgende Fragen entscheidend sein: Wird künftig in Libyen ein Muslim zum Tode verurteilt, der den christlichen Glauben angenommen hat? Bekommen Christen überhaupt eine Stimme in dem neuen Libyen? Werden sie anerkannt, und nicht nur geduldet? Dürfen sie ihren Glauben frei und ohne Reglementierungen praktizieren oder auch wechseln? Ist ein Muslim in Lebensgefahr, weil er künftig als Christ leben möchte? Stehen die Kirchentüren allen Menschen offen, gleich welcher religiösen Herkunft? Nicht nur der politische Charakter des Landes wird sich verändern müssen. Wenn Konvertiten weiterhin damit rechnen müssen, von Islamisten und der eigenen Familie geächtet zu werden, werden die gegenwärtigen Veränderungen für sie keine Verbesserung bringen.

Überwachter Glaube

Unter der 42-jährigen Gaddafi-Ära durften Christen - sprich ausländische Gläubige - Gottesdienste feiern, auch wenn am Eingang ihrer Kirchen Sicherheitskräfte postiert waren. Doch es war ein durch das diktatorische Regime überwachter Glaube, für den ein weitreichendes Netz aus Geheimpolizisten abgestellt war. Christliche Literatur durfte nicht weitergegeben werden, geschweige denn das Evangelium an Muslime. Im Verborgenen geschah dies dennoch, denn es gibt einheimische Christen muslimischer Herkunft, wenn auch mit 150 nur sehr wenige. Da sie keinen Fuß in eine Kirche setzen durften, blieben sie von der christlichen Gemeinschaft isoliert. Häufig wurden sie durch die Gesellschaft oder von ihrer eigenen Familie unter Druck gesetzt, zum Islam zurück zu konvertieren. Die Mehrheit der insgesamt 172.800 Christen unter den 6,4 Millionen Einwohnern sind Ausländer. Die meisten von ihnen haben das Land inzwischen verlassen. Gemeindeleiter aus Tripolis berichteten Open Doors, dass nahezu 75 Prozent ihrer Mitglieder aufgrund der Kriegswirren außer Landes geflohen sind. Ob sie jemals zurückkehren werden, ist ungewiss.

Es bleibt die Hoffnung, dass die christliche Gemeinde im neuen Libyen nach Gaddafi ihren Platz finden wird. Beobachter warnen vor einem politischen Eingreifen des westlichen Auslands. Doch Christen können und sollten gerade jetzt eingreifen, und zwar mit Gebet. Darum haben einheimische Gemeindeleiter etwa aus Tripolis gebeten. Einer von ihnen berichtete, dass jeden Tag um die Mittagszeit Christen in kleinen Gruppen zusammenkommen und für die Zukunft ihres Landes beten. Diesem Vorbild sollten Christen in Deutschland folgen.

Open Doors in Libyen
Zum Schutz unserer Mitarbeiter und der Christen bzw. Hausgemeinden können keine Einzelheiten zu unseren Hilfsdiensten in Libyen genannt werden. Open Doors unterstützt in Kooperation mit anderen Organisatoren einheimische Christen in Libyen unter anderem mit Bibeln und christlicher Literatur und ruft weltweit immer wieder zum Gebet auf.