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Äthiopien: Kirchenleiter zu langen Haftstrafen verurteilt

Jugendliche Evangelisten tätlich angegriffen und inhaftiert

(Open Doors, Kelkheim) - Im mehrheitlich christlichen Äthiopien sind sechs Verwaltungsmitarbeiter der Äthiopischen Orthodoxen Kirche (EOC) am 7. August von einem Bezirksgericht zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Sie hatten sich öffentlich über die wachsende Verfolgung von Christen in ihrer islamisch dominierten Provinz beschwert. Im Ostteil des Landes wurde eine Gruppe christlicher Jugendlicher tätlich angegriffen und vorübergehend verhaftet, nachdem sie öffentlich zum christlichen Glauben eingeladen hatte.

"Die Lage ist unerträglich geworden"

Der Bezirk Silte im Süden Äthiopiens wird überwiegend von Muslimen bewohnt und hat nach einem Referendum im Jahr 2001 den Status eines teilautonomen Gebietes unter eigener Verwaltung erhalten. Aus Silte stammen einige der führenden Politiker Äthiopiens, so etwa die Minister für Verteidigung und Kommunikation. Die Bezirkshauptstadt Worabe hat in den vergangenen Jahren ein starkes Bevölkerungswachstum erlebt, mindestens vier große Moscheen finden starken Zulauf aus der Bevölkerung. Gleichzeitig hat sich der Druck auf die Christen in dem Gebiet spürbar verstärkt. Sechs Verwaltungsratsmitglieder der örtlichen "St. Mary's Orthodox Church" verfassten daraufhin im März 2015 einen Beschwerdebrief an die nationale Kirchenleitung der EOC. Darin listeten sie detailliert auf, welchen Formen der Verfolgung Christen in ihrer Umgebung zuletzt ausgesetzt waren: Diskriminierung bei der Arbeitsplatzsuche und in Arbeitszeugnissen, dem Niederbrennen von Kirchengebäuden, tätlichen Angriffen sowie Morddrohungen. Die Verfasser beklagten, die Situation sei unerträglich geworden, und zogen Parallelen zur Lage in Libyen. Dort enthaupteten Mitglieder des Islamischen Staates (IS) einen Monat nach Abfassung des Briefs äthiopische Christen und veröffentlichten die Tat per Video.

Gefängnisstrafen für Christen "normal"

Kopien des Schreibens wurden auch an verschiedene Regierungsstellen verschickt, darunter das Büro des Premierministers. Als der Brief in die lokale Presse von Worabe gelangte, wurden seine Verfasser vorgeladen und unter Anklage gestellt. Trotz eines Entschuldigungsschreibens wurden sie am 7. August zu fünfeinhalb bzw. achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt; Begründung: Erregung öffentlichen Ärgernisses, Untergrabung des öffentlichen Vertrauens in Regierungsbeamte sowie Verbreitung von Hass. Der Leiter der örtlichen EOC-Diözese kündigte an, in Berufung gehen zu wollen, betonte aber gleichzeitig: "Gefängnisstrafen sind für Christen etwas Normales, es ist gut, verfolgt zu werden."

Evangelium verkündet - eine Nacht im Gefängnis

Unter massiven Druck geriet auch eine Gruppe von 15 jugendlichen Christen, die sich aus der Hauptstadt Addis Abeba auf eine 480 km lange Reise in die östlich gelegene Stadt Karamile begeben hatten. Als sie dort auf der Straße das Evangelium von Jesus Christus weitergaben, wurden zwei junge Frauen tätlich angegriffen, woraufhin die Polizei zügig einschritt. Verhaftet wurden allerdings die Christen, die daraufhin eine Nacht im Gefängnis verbringen mussten. Dank der Intervention örtlicher Kirchenleiter wurden sie am Folgetag wieder freigelassen. Die Behörden der überwiegend von Muslimen bewohnten Stadt bestellten daraufhin jedoch die Leiter aller lokalen Kirchen ein und wiesen sie an, künftig alle evangelistischen Aktivitäten außerhalb ihrer Kirchen zu unterlassen. Kein Christ dürfe zudem einen Nichtchristen zu privaten Gebetstreffen einladen.

Die äthiopische Verfassung hingegen garantiert allen Bürgern das Recht, ihre Religion ohne jegliche Einschränkung zu praktizieren. Auf dem Open Doors Weltverfolgungsindex belegt Äthiopien aktuell Rang 22 unter den Ländern, in denen Christen am härtesten verfolgt werden.

Bitte beten Sie für die Christen in Äthiopien:

  • für die sechs jetzt inhaftierten Christen sowie alle anderen, die in Äthiopien um ihres Glaubens willen in Haft sind
  • für die Regierung, dass sie ihre Aufgabe als Hüterin der Verfassung und der Freiheit der Bürger ernst nimmt
  • für die äthiopischen Kirchen: um Einheit sowie um Stärkung, dass die Christen ihren vielfältigen Herausforderungen in der Kraft und der Liebe Jesu begegnen können