Persönliche Berichte

Indien: Geburt auf der Flucht durch den Dschungel

„Ich sah mein Haus vor meinen Augen niederbrennen!“

(Open Doors, Kelkheim) – Ritika* wusste, dass es Zeit war, zu gehen. Am Abend dieses 3. Mai hallten laute Explosionen und wütende Stimmen durch die Straßen ihres Heimatortes Khangol in Manipur; überall loderten Feuer auf. Nach einem letzten Blick auf die Überreste ihres Hauses machte sie sich zusammen mit ihrer Schwiegermutter auf den Weg und ging so schnell, wie sie es als Hochschwangere konnte.

Ritika mit ihrem Baby
Ritika mit ihrem Baby: „Ich möchte, dass es lebt und sieht, wie Gott in seiner Zukunft Großes tun kann.“

„Ich danke Gott für das Geschenk des Lebens!“

„Wir waren auf solche Angriffe nicht vorbereitet“, sagt Ritika im Gespräch mit Anjali Lhing*, einer lokalen Partnerin von Open Doors. Das Treffen fand in dem Flüchtlingslager statt, wo Ritika jetzt lebt. Sie erzählt weiter: „Wir lebten in Khangol und mussten in Richtung Kangpokpi fliehen. Ich sah mein Haus vor meinen Augen niederbrennen und es war ein schrecklicher Anblick.“

Doch Ritikas größte Sorge galt nicht ihrem Haus: „Ich konnte nur an mein Baby denken“, erinnert sie sich. „Unterwegs bekam ich Schmerzen, und die Frauen, die bei mir waren, halfen mir bei der Geburt. Die Männer bereiteten ein Bambusbett in den Bergen vor und bewachten uns. Die Frauen hatten nicht mehr als ein Stück Stoff, aber so konnte ich entbinden. Nach der Entbindung trugen sie mich und mein Baby auf dem Bambusbett weiter, denn wir durften nicht aufhören, uns fortzubewegen. Diesen Tag kann ich nie vergessen. Ich hätte mir so etwas nie vorstellen können. Aber ich danke Gott für das Geschenk des Lebens, das er in diese Welt gebracht hat – selbst in einer so schrecklichen Situation.“

Über 50.000 Christen vertrieben

Ritika gehört dem mehrheitlich christlichen Kuki-Stamm an, dessen Mitglieder am meisten unter den Zerstörungen durch die extremistischen Gruppen Arambai Tenggol und Meitei Leepun zu leiden hatten. Aber auch christliche Konvertiten aus der mehrheitlich hinduistischen Meitei-Gemeinschaft wurden von den Extremisten bedroht und gezwungen, wieder zu ihrem traditionellen hinduistischen Glauben zurückzukehren.

Die ethnischen Spannungen zwischen den Stämmen in dem nordöstlichen Bundesstaat Manipur bestehen bereits seit Jahrzehnten. Doch mit dem Gewaltausbruch Ende April, der bis heute immer neue Opfer fordert, ist eine neue Situation eingetreten. „Dieses Mal ist es systematisch – die Täter hatten sich organisiert und trugen Listen religiöser Stätten bei sich“, sagt Dr. Yohan Murray, ein lokaler Partner von Open Doors. Bis zum 25. Juni 2023 wurden mehr als 50.000 Christen vom Stamm der Kuki-Zo-Mizo und der Meitei-Gemeinschaft vertrieben, rund 400 Kirchen zerstört, mehr als 250 Dörfer niedergebrannt. Bislang wurde der Tod von 120 Menschen bestätigt.

Trotz aller Not: Dankbarkeit und tiefes Vertrauen auf Jesus

Am Ende des Gespräches zwischen Anjali und Ritika meldet sich Ritikas Schwiegermutter zu Wort, die die ganze Zeit über zugehört hat. Sie sagt: „Ich vergebe unseren Verfolgern. Durch sie können wir Gottes Hand in unserem Leben sehen.“

Ritika hat ihren kleinen Jungen in ihrer Landessprache nach dem Berg benannt, auf dem er geboren wurde. Obwohl die Lage weiterhin unsicher ist und sie sich Nahrung, Unterkunft und die knappen Ressourcen mit den anderen Flüchtlingen im Lager teilen muss, ist sie voller Hoffnung für ihr kostbares Baby: „Ich bete für mein Kind, weil es zu dieser Zeit auf die Welt gekommen ist, aber ich möchte, dass es lebt und sieht, wie Gott in seiner Zukunft Großes tun kann.“ Wegen der überhasteten Flucht und der schwierigen Umstände der Geburt hat sie noch Schmerzen. Doch sie sagt: „Ich gebe keinem Stamm und keiner Gemeinschaft die Schuld. Ich weiß, wenn Gott all das zugelassen hat, dann ist es gut so. Er hat trotzdem mein Baby und mein Leben beschützt.“

Bitte beten Sie für die Christen in Manipur!

  • Beten Sie für die zahlreichen vertriebenen Christen wie Ritika und ihre Familie: dass Gott sie versorgt und sie in ihm immer wieder neue Kraft schöpfen.
  • Danken Sie für den unerschütterlichen Glauben der beiden Frauen und ihre Vergebungsbereitschaft.
  • Beten Sie um ein Ende der Gewalt und um eine Rücknahme der Anordnung, die Auslöser der Proteste war.
  • Beten Sie für alle Bemühungen, den Vertriebenen Hilfe zukommen zu lassen und die christliche Gemeinschaft zu unterstützen.

*Name geändert

Vielen Dank für Ihr Gebet

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