Weltverfolgungsindex 2024

Somalia

Christenverfolgung in Somalia

Berichtszeitraum: 1. Oktober 2022 – 30. September 2023

Überblick

Christen in Somalia sind in mehrfacher Hinsicht äußerst gefährdet. Al-Shabaab übt weiterhin erheblichen Einfluss aus und kontrolliert große Teile des Landes – militärischen Rückschlägen und der Rebellion einiger Clans zum Trotz. Die Gruppe hat außerdem erfolgreich Bundes- und Kommunalbehörden unterwandert. Ihr Einflussbereich erstreckt sich sogar auf Nachbarländer wie Kenia, wodurch sich die Situation für die Christen in der ganzen Region verkompliziert. Al-Shabaab vertritt eine strenge Form der Scharia und hat überaus deutlich gemacht, dass es ihr Ziel ist, Christen in Somalia zu eliminieren und den christlichen Glauben auszurotten. Christen, die dabei entdeckt werden, wie sie ihren Glauben praktizieren, werden oft kurzerhand hingerichtet.

Im Laufe der Jahre hat sich die Gefahr für Christen zugespitzt, da sich die militanten Islamisten verstärkt darum bemühen, christliche Leiter zu identifizieren und auszulöschen. Die unmittelbaren Gefahren, die für Christen von solchen extremistischen Gruppen ausgehen, werden noch verschärft durch die gesellschaftliche Struktur in Somalia, mit der Christen konfrontiert sind: Die Gesellschaft ist allgemein konservativ geprägt; der Wechsel vom Islam zum christlichen Glauben wird als ultimativer Verrat angesehen, nicht nur an der eigenen Familie, sondern auch am eigenen Clan und an der Gesellschaft insgesamt. Allein der Verdacht, den christlichen Glauben angenommen zu haben, ist lebensgefährlich.

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Das folgende Länderprofil ist ein übersetzter Auszug aus dem Country Dossier von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. Das vollständige Dossier auf Englisch sowie das gekürzte Länderprofil auf Deutsch (beides als PDF) finden Sie hier zum Download.

Country Dossier als PDF

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1. Hintergrund

Seit der Ära von Präsident Mohamed Siad Barre, der 1960 einen „wissenschaftlichen Sozialismus“ einführte, sind Christen in Somalia umfassender Verfolgung ausgesetzt. Barres säkulare und reformistische Regierung untergrub zwar die islamische Identität Somalias, fand aber mit extremistischen Muslimen einen gemeinsamen Nenner – nämlich die Feindseligkeit gegenüber Christen. In dieser Zeit wurden Christen vertrieben, Kircheneigentum beschlagnahmt, und der Druck, die Einfuhr und der Verkauf von christlicher Literatur wurde verboten. Viele somalische Christen wurden Opfer von Drohungen, Verhaftungen, Folter und sogar von Mord durch die nationalen Sicherheitsdienste.

Der Zusammenbruch von Barres Regime im Jahr 1991 hat Somalia in einen gescheiterten Staat verwandelt. Islamisten, lokale Milizen und Warlords kämpfen seither um die Macht. Obwohl die Regierungsgewalt zersplittert und aufgeteilt ist, kontrolliert al-Shabaab einen doch erheblichen Teil des Landes, insbesondere die ländlichen Gebiete. Der Wirkungskreis der Gruppe ist nicht nur auf Somalia beschränkt. Auch auf Kenia hat sie ihre Aktivitäten ausgedehnt, und in den Jahren 2021 und 2022 versuchte sie, nach Äthiopien zu expandieren, wenn auch erfolglos. Sie finanziert ihre Aktivitäten durch verschiedene illegale Geschäfte, wodurch die Bedrohungslage für Christen und andere Menschen in der Region noch komplexer wird.

Die somalische Verfassung aus dem Jahr 2012 betont, dass der Islam Staatsreligion ist. Sie stellt die Scharia über alles andere, wodurch die Verbreitung anderer Religionen praktisch verboten wird. Die überwältigende Mehrheit der sunnitischen Muslime betrachtet Christen als kulturschädigend. Männer, die als Christen entdeckt und identifiziert wurden, sehen sich häufig mit Boykott, Drohungen, Folter und Tod konfrontiert, während Frauen von sexueller Gewalt und Zwangsverheiratung bedroht sind.

In halbautonomen Regionen wie Puntland und Somaliland – die einseitig ihre Unabhängigkeit erklärt haben, aber international nicht anerkannt sind – spiegelt sich die Situation des Rests des Landes wider. In den Verfassungen dieser Regionen wird genauso die Vorherrschaft des Islam betont und andere Glaubensrichtungen werden verboten. In Somaliland war immer wieder versucht worden, Kirchen zu eröffnen oder wiederzueröffnen. Doch lokale Behörden hatten dies stets vereitelt. Verhaftungen von Einheimischen unter dem Vorwurf der Apostasie (des Glaubensabfalls) waren meist die Folge.

Auch die politischen Unruhen, die das Land seit 2022 erschüttern, tragen zur Instabilität bei. Die USA verhängten Sanktionen gegen somalische Beamte wegen Untergrabung der Demokratie. Der Internationale Währungsfonds warnte, dass Finanzierungsprogramme auf dem Spiel stehen könnten, wenn nicht bald Wahlen abgehalten würden. Aufgrund dieses Drucks wurden im April 2022 290 neue Abgeordnete in ihr Amt eingeführt. Präsident Hassan Sheikh Mohamud wurde im Mai 2022 für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Dies alles geschieht vor dem Hintergrund, dass über 70 Prozent der Somalier unterhalb der Armutsgrenze leben und damit ein Umfeld entsteht, in dem Extremismus leicht gedeihen kann.

2. Gibt es regionale Unterschiede?

Keine Region ist für Christen sicher. Allerdings sind sie in den Gebieten am meisten gefährdet, die von islamisch-extremistischen Milizen wie al-Shabaab kontrolliert werden. Diese Gebiete liegen besonders im Süden und Südwesten des Landes, einschließlich der Gebiete um Kismaayo, Jamaame, Merka und El Hur. Zwar sind die nördlichen Regionen wie Somaliland und Puntland stabiler als der Süden, jedoch sind Christen auch dort einem hohen Gewaltrisiko ausgesetzt.

3. Was sind die stärksten Triebkräfte der Verfolgung?

Islamische Unterdrückung

In vielen Regionen können islamisch-extremistische Milizen unbehelligt agieren. Sie töten diejenigen Somalier, die verdächtigt werden, zum christlichen Glauben konvertiert zu sein. Obgleich das Land versucht, sich zu stabilisieren und eine rechtmäßige Regierung zu bilden, neigen die politischen Führer und Regierungsbeamten mit überwältigender Mehrheit dazu, eine strenge Auslegung der Scharia zu befürworten.

Unterdrückung durch den Clan oder Stamm

Die somalische Gesellschaft basiert auf einer starken Stammesidentität, die eng damit verwoben ist, dass man als Somalier auch Muslim ist. Familienmitglieder und Stammesführer betrachten eine Hinwendung zum christlichen Glauben als Verrat. Daher besteht für alle Christen, deren Glaube entdeckt wird, die große Gefahr, dass ihnen sofort Gewalt angetan wird.

Organisiertes Verbrechen und Korruption

Kriminelle profitieren von der Gesetzlosigkeit in Somalia. Sie agieren in einem Netz von illegalen Handelswegen und unterhalten enge Verbindungen zu al-Shabaab. Mit dem Geld, das diese Kartelle erwirtschaften, werden Waffen gekauft und Angriffe auf Christen und andere Zivilpersonen finanziert.

Diktatorische Paranoia

Die Christen im Land sind dem Druck der Regierung ausgesetzt. Diese führt Gesetze ein, welche die Rechte der Christen einschränken.

Eine vollständige Übersicht aller im Land wirksamen Triebkräfte finden Sie im ungekürzten, englischen Länderprofil.

4. Welche Christen sind von Verfolgung betroffen?

Christen anderer religiöser Herkunft (Konvertiten)

Fast alle Christen im Land sind Konvertiten aus dem Islam. Sie werden von al-Shabaab-Funktionären und -Kämpfern als Ziele von besonders hohem Wert betrachtet. Konvertiten – oder die der Konversion Beschuldigten – wurden in jüngster Vergangenheit meist auf der Stelle getötet, wenn sie entdeckt wurden.

5. Wie erfahren Christen Druck und Gewalt?

Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt

Privatleben 16.5
Familienleben 16.7
Gesellschaftliches Leben 16.6
Leben im Staat 16.6
Kirchliches Leben 16.6
Auftreten von Gewalt 10.6

Die Summe der Wertungen aller sechs Bereiche (die maximale Punktzahl beträgt jeweils 16,7) ergibt die Gesamtpunktzahl und somit die Platzierung auf dem Weltverfolgungsindex. Das Verfolgungsmuster zeigt das Ausmaß von Druck und Gewalt, welche durch das Zusammenwirken der Triebkräfte hervorgerufen werden.

Privatleben

Der Besitz von christlichem Material ist streng verboten. Wem der Besitz einer Bibel oder anderer christlicher Druckerzeugnisse nachgewiesen wird, wird unter Befürwortung seiner Verwandten und der örtlichen Gemeinschaft hingerichtet. Solche schwerwiegenden Konsequenzen drohen auch denen, die im Verdacht stehen, den christlichen Glauben angenommen zu haben – deshalb müssen ehemalige Muslime ihre Hinwendung zum christlichen Glauben selbst vor ihren eigenen Familienangehörigen verstecken.

Familienleben

Die somalische Gesellschaft geht davon aus, dass alle Kinder Muslime sind. Kinder christlich zu erziehen, ist äußerst schwierig. Wer seinen Kindern vom christlichen Glauben auch nur erzählt, riskiert bereits, von extremistischen Mitgliedern seines Clans angegriffen zu werden. Alle Kinder müssen die Medresse (Koranschule) besuchen und am Islamunterricht teilnehmen.

Gesellschaftliches Leben

Die somalische Gesellschaft ist konservativ. Der Bevölkerung werden islamische Lehren aufgezwungen. Das soziale Umfeld von Christen muslimischer Herkunft setzt sie dauerhaft unter Druck und überwacht sie. Abweichungen vom „guten muslimischen Verhalten“ werden unter Umständen an Gruppen wie al-Shabaab gemeldet – die dann gewalttätige Angriffe auf Christen verüben.

Leben im Staat

Die somalische Regierung ist der Ansicht, dass es keine somalischen Christen geben kann, da die Verfassung eine Abwendung vom Islam verbietet. Die Meinungsfreiheit ist stark eingeschränkt.

Kirchliches Leben

Christen können noch nicht einmal daran denken, kirchliches Leben wiederaufzunehmen. Der Versuch, eine katholische Kirche in Mogadischu wiederzueröffnen, war nicht erfolgreich; und der Versuch zur Wiedereröffnung einer katholischen Kirche in Hargeysa verursachte einen allgemeinen Aufschrei und öffentliche Feindseligkeiten. Es wird ständig überprüft, ob es inoffizielle Versammlungsstätten (Hauskirchen) im Land gibt.

Beispiele für Auftreten von Gewalt

Aus Sicherheitsgründen können keine konkreten Beispiele genannt werden.

6. Entwicklung in den letzten 5 Jahren

Jahr Platzierung Punktzahl
2024 2 93
2023 2 92
2022 3 91
2021 3 92
2020 3 92

Auf dem Weltverfolgungsindex 2024 erreicht Somalia seinen bisherigen Höchstwert von 93 Punkten. In den letzten fünf Jahren ist das Ausmaß der Verfolgung in Somalia relativ stabil geblieben – und extrem hoch. Die Werte schwankten zwischen 91 Punkten im Jahr 2022 und dem Höchstwert von 93 Punkten auf dem diesjährigen Weltverfolgungsindex. Diese Entwicklung weist darauf hin, wie anhaltend und hartnäckig die Herausforderungen für Christen im Land sind.

7. Sind Frauen und Männer unterschiedlich von Verfolgung betroffen?

Frauen

Junge Frauen, die den christlichen Glauben annehmen, gehören nach wie vor zu den am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen. Es ist üblich, dass eine Frau, die des Glaubenswechsels verdächtigt wird, in der Öffentlichkeit gedemütigt, unter strengen Hausarrest gestellt, vergewaltigt, entführt, mit einem strenggläubigen Scheich (einem religiösen und/oder politischen Führer) zwangsverheiratet oder getötet wird. Wenn die Frau bereits verheiratet ist, ist es wahrscheinlich, dass sie geschieden wird und ihr die Kinder weggenommen werden. Auch leiden christliche Frauen, wenn ihre Ehemänner inhaftiert oder getötet werden. Viele Frauen werden in dieser Situation von männlichen Verwandten ausgenutzt; häufig verarmt ihre Familie.

Männer

Somalia ist eine patriarchalische Gesellschaft mit starker sozialer Kontrolle. Somalische Männer, die verdächtigt werden, sich vom Islam ab- und dem christlichen Glauben zugewandt zu haben, sind extremen Verletzungen ihrer Grundrechte ausgesetzt. Ihnen droht, dass ihre Geschäfte übernommen werden; sie werden beschimpft, körperlich angegriffen, inhaftiert, massiv bedroht, gefoltert, entführt oder getötet. Männer stehen unter zusätzlichem Druck, weil von ihnen erwartet wird, dass sie ihrer Familie in religiösen Angelegenheiten vorstehen – und folglich dafür verantwortlich gemacht werden können, wenn ein Familienmitglied den christlichen Glauben annimmt. Die Familien schicken ihre jungen Männer, darunter auch christliche Konvertiten, zwangsweise in islamische „Rehabilitationszentren“, um sie dort zu al-Shabaab-Kämpfern ausbilden zu lassen.

8. Verfolgung anderer religiöser Gruppen

In Somalia haben keine religiösen Gruppen außerhalb des sunnitischen Islam irgendwelche bedeutenden Rechte. In den von der al-Shabaab kontrollierten Gebieten ist die Situation derart verschärft, dass sich selbst schiitische Muslime sehr bedeckt halten; selbst gemäßigte sunnitische Muslime geraten ins Fadenkreuz. Die Gesetze in Somalia verbieten die Verbreitung anderer Religionen als des Islam und untersagen Muslimen einen Glaubenswechsel.

9. Gebetsanliegen

Bitte beten Sie für Somalia:

  • Beten Sie für Frieden in Somalia, eine Beruhigung der politischen Lage und Versorgung der Bevölkerung angesichts von Naturkatastrophen und Instabilität.
  • Nahezu 100 % der Somalier sind Muslime, und es gibt unverändert keinen Platz für Christen. Beten Sie dafür, dass Jesus Christus trotz dieser Realität seine Gemeinde in Somalia baut.
  • Beten Sie um Schutz vor Entdeckung und Weisheit für die einzelnen Christen, die ihren Glauben nur im Geheimen leben können.
  • Beten Sie, dass ganze Familien zu Jesus finden und ihm gemeinsam nachfolgen können.

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